Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
Mission auch immer –, um auf die Spur welcher grausamen Sekte auch immer gesetzt zu werden, die einer ganzen Schiffsbesatzung das Blut ausgesaugt hatte, kam sie vielleicht zu spät, um ihn noch retten zu können. Es war einige Zeit her, seitdem sie am Abend mit so etwas wie Erwartung aufgewacht war.
In sechs kleineren Häusern hatten sie bereits nachgefragt, als sie am dritten Tag das Gasthaus fanden, wo Langley seine Kutsche zurückgelassen hatte. Es lag an der Kreuzung der Straßen nach Southbourne und Fareham. Beatrix traf dort am Abend ein und raffte ein wenig ihre Röcke, als sie über den schmutzigen Boden der Schankstube schritt. Das Plow and Angel war weit davon entfernt, engelsgleich zu sein. Einige Typen beäugten ihre Ohrringe mit unverhüllter Gier. Beatrix saß am Tisch nahe dem Feuer, von wo aus sie den ganzen Raum überschauen konnte.
Symington bestellte Sherry für sie und legte eine Goldmünze auf die Theke, was den Blick eines jeden im Raum dorthin lenkte. »Können Sie mir sagen, ob eine Kutsche mit dem Wappen eines Earls auf der Tür hier vorbeigekommen ist – in der zweiten Aprilwoche? Der Besitzer könnte eine andere Kutsche bestellt haben.«
Schweigen im Raum. Der Wirt schaute auf die Guinee und kaute auf den Lippen. »Ein Wappen.« Er schaute auf einen Mann, der in einer Ecke saß.
Beatrix sah das kleine Achselzucken aus dem Augenwinkel. Ihr Gefährte spürte ihre Aufregung und begann in ihr zu pochen. Hier wusste man etwas.
»Ich erinnere mich jetzt«, sagte der Wirt und steckte die Münze ein. »Er hat zum Abendessen gehalten. Meine Frau macht ein richtig gutes Beefsteak, wenn Sie und die Lady etwas zu sich nehmen wollen.«
Er versuchte, das Thema zu wechseln. Beatrix seufzte. »Also gut, lassen Sie uns zu Abend essen, Symington. Ich bin schon ganz schwach vor Hunger.«
Symington nickte. »Sehr wohl, Mylady. In einem Nebenraum …«
»Nein, ich würde gern hier essen. Ich schwöre, ich kann keinen Schritt mehr gehen.«
Symington setzte eine ausdruckslose Miene auf. »Wie Sie wünschen, Mylady. Haben Sie eine Speisekarte, guter Mann? Ich werde eine Mahlzeit auswählen.«
Der Wirt sah verlegen aus. »Meine Frau wird aufbieten, was immer wir haben. Wurzeln, vielleicht, und grüne Erbsen zum Beefsteak …« Seine Stimme erstarb.
»Das wäre wunderbar«, sagte Beatrix fest. »Während wir warten, Herr Wirt, eine Runde für die anderen Gäste?«
»Ja, Euer Gnaden, ich meine, Mylady. Poll, Poll, servier die Getränke.« Er eilte davon und ließ ein schlampiges Mädchen zurück, das Ale und Porter und Brandy einschenkte und auf einem Tablett zu den Gästen brachte. Zu ihren Rufen »Hier, hier!« wurden von einigen gemein aussehenden Kerlen die Gläser gehoben. Der Mann in der Ecke, mit dem der Wirt den Blick gewechselt hatte, sah sich Beatrix jetzt etwas genauer an. Gut so.
»Symington, warum sehen Sie nicht nach den Pferden?«, wisperte sie. Symington war die Diskretion in Person, aber sie wollte nicht, dass sein durchdringender Blick ihr Opfer womöglich einschüchterte.
Beatrix war sich ihrer Beute sicher und wartete ab. Es dauerte keine fünf Minuten, da stand der Mann auf und kam an ihren Tisch. Sein Glas hatte er mitgebracht. Die anderen Gäste waren zum Damespiel oder lärmender Sauferei zurückgekehrt.
»Frederick Younger, wenn ich so kühn sein darf«, sagte er. »Meinen Dank an Mylady.«
Er hatte offensichtlich Kinderstube. Beatrix stellte sich ihm nicht vor. »Sie sehen aus, als seien Sie etwas Besseres. Setzen Sie sich, während ich auf mein Essen warte.« Sie hatte keine Ahnung, ob er Aufregendes enthüllen würde. Aber er führte sie vielleicht zu John, was noch besser war.
»Mylady ist großzügig.« Er setzte sich. »Nicht so von oben herab wie die meisten anderen Ihres Standes.«
»Andere Länder, andere Sitten«, sagte Beatrix und sah ihn sich genauer an. Er war um die dreißig, aber Pockennarben hatten ihn früh gezeichnet, und obwohl seine Gesichtszüge recht ebenmäßig waren, konnte man ihn nicht gut aussehend nennen. »Nun, Mr. Younger, was ist Ihr Geschäft?«
»Ich arbeite für das Transport Office.«
»Vergeben Sie mir. Ich bin noch nicht lange in Ihrem Land. Was ist das Transport Office?«
»Wir sind Beamte des Gesetzes«, sagte er und versuchte, stolz zu klingen. Sie bemerkte, dass er sie ihrerseits genau musterte. »Wir sorgen dafür, dass Verbrecher mit dem Schiff in die Strafkolonien nach Botany Bay gebracht werden, oder dass sie, wenn es keinen
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