Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
zittern, aber er konnte eine Spur von Schweiß auf Quintocs Stirn erkennen. Und dann ließ das Pochen in Johns Lenden nach.
Er brachte ein lässiges Grinsen zustande. Quintocs Rot verblasste, und er stieß einen frustrierten Schrei aus. John erkannte, dass er nur den Bruchteil einer Sekunde hatte, um zu handeln. Er sprang vom Bett und an Quintoc vorbei zur Tür. Er hatte die Kreatur überrumpelt. Zwei große Schritte, drei – er war an der Tür. Er hörte Quintoc hinter sich. John riss am Türknauf. Eine Hand griff nach seinem Arm. Er wand sich durch die Tür. Die Treppe hinunter, immer drei Stufen auf einmal nehmend. Er keuchte. Würden seine Kräfte reichen? Über die Marmorfliesen. Quintoc donnerte ihm nach. Er wurde von hinten zu Fall gebracht und stürzte. Er trat um sich und Quintoc ins Gesicht und kroch auf die Tür zu. Er zerrte an den großen Türflügeln, jede gut zwei Mann hoch. Das Licht der Abenddämmerung tauchte die Stufen in sanftes Licht, die gekieste Auffahrt, den See auf der anderen Seite. Quintoc schrie hinter ihm. John stolperte die Stufen des Säulenvorbaus hinunter. Die Luft roch nach sonnenwarmem Gras und irgendwelchen Blumen. Schwere Schritte. Wohin sollte er laufen?
Der Schlag traf ihn direkt an der Schläfe und fällte ihn augenblicklich. Er wurde über den Kies gezogen. Die Welt verschwamm. Er hörte das Zuschlagen von Türen.
Ein riesiger Brocken von Mann hockte auf seiner Brust, trieb ihm die Luft aus den Lungen. LeFèvre. Er schüttelte den Kopf, um ihn klarzubekommen. Er musste seine Sinne beisammenhalten. Eine Schlange der Angst kroch sein Rückgrat hinauf und sagte ihm, dass er nicht in der Lage sein würde, Quintoc noch einmal zu entkommen.
»Bring ihn wieder nach oben«, befahl Quintoc. Er hatte einen Kratzer auf der Wange.
Der große Mann bewegte sich nicht. »Du bist ihm nicht gewachsen. Und ich werde auch nicht zusehen, wie du ihn vögelst. Weshalb ich übrigens als dein Handlanger ausscheide.«
»Du … du wirst tun, was man dir sagt!«
»Ich muss vor ihr dafür geradestehen, wenn er flieht.«
John blinzelte zu ihnen hoch. LeFèvre stand auf und grinste zu ihm herunter. »Ein kleiner Schluck englisches Blut wäre allerdings gar nicht so verkehrt.«
»Sie hat gesagt, ich darf nicht von ihm trinken«, schmollte Quintoc.
»Du denkst, sie würde das merken?« LeFèvre schnaubte verächtlich. »Das hat sie nur gesagt, um dir Angst einzujagen. Er hat noch ein paar Tage Zeit, wieder zu Kräften zu kommen. Wir saugen an den Stellen, an denen sie schon dran war.«
Quintoc strahlte. »Wenn wir ihn schwächen, wird es auch einfacher sein, mich mit ihm zu vergnügen.« Zusammen zogen sie John die Treppe hinauf und stießen ihn, der noch immer torkelte, die Stufen hinunter, zurück in die Hitze.
LeFèvre fesselte John die Hände auf dem Rücken, dann zog er ihn hinüber zu der vertrauten Kette, deren Halterung in die Mauer eingelassen war. LeFèvre stieß ihn auf die Knie, und dann hingen sie schon an ihm, schlugen ihre Zähne von beiden Seiten in seine Halsarterien. John wehrte sich einen Moment lang dagegen, aber der Willen von zweien war zu stark. Seine Sinne schrumpften auf das Pochen seines Blutes und das schlürfende Ziehen an seinem Hals zusammen. Seine Sicht trübte sich. Er begann, die Besinnung zu verlieren.
Einer zog sich zurück. »Genug«, hörte er LeFèvre sagen. »Wenn er leer getrunken ist, dann wird sie wissen, was wir getan haben.« Quintoc zog seine Fangzähne aus Johns Hals. John brach zusammen.
»Ich könnte ihn jetzt nehmen …« Das war Quintoc. John hörte ihn wie aus weiter Ferne.
»Du hattest deine Gelegenheit.«
»Tyrann!«
»Gottverdammte Schwuchtel!«
Die Tür schloss sich quietschend. Stimmen und Schritte verhallten. Die Dunkelheit kroch in Johns Kopf.
Kapitel 17
D ie Vorhänge in der Kutsche waren zum Schutz gegen das Tageslicht fest zugezogen, deshalb konnte Beatrix die vorbeigleitende französische Landschaft nicht sehen. Das Rütteln in ihren lebenswichtigen Organen musste für das Gefühl von hoher Geschwindigkeit herhalten, das sie so herbeisehnte. Sie gab vor zu schlafen, obwohl sie den anderen Reisenden in der Kutsche nicht aus den Augen ließ: den feigen Jerry. Während der letzten Stunden waren sie nicht zur Ruhe gekommen. Einen ganzen Tag und eine weitere Nacht lang hatten die widrigen Winde auf See dafür gesorgt, dass sie in ihrer Schiffskabine hin und her geworfen wurden. Dem folgte in Calais die fieberhafte Suche nach einer
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