Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
gemein haben. In Ihrem Fall erwarte ich, dass die unbeschwerte Schlagfertigkeit und die höfliche Konversation eine List für die jungen Burschen sind, die eine Göttin zum Anbeten brauchen, und für die alten Narren, die sich wünschen, dass ihnen die Aufmerksamkeit einer schönen und intelligenten Frau gehört. Aber das ist nicht Ihr wahres Ich, habe ich recht? An Ihnen ist ganz und gar nichts einfach.«
»Ich weiß nicht, was mein wahres Ich ist«, fauchte sie. »Und auf jeden Fall habe ich keine Lust, darüber mit jemandem zu diskutieren, der selbst eine Vielzahl von Geheimnissen hat. Wissen Sie denn, wer Sie sind?«
Er packte das Revers seines Fracks. »Oje, ein Stoß mitten ins Herz!«
Hm. Er hatte sich in Bessborough House nicht einmal seinen Mantel geben lassen. Er war ohne Hut, ohne Handschuhe, ohne Stock. Sie errötete. Sie hatte ihn angefaucht, nachdem er sie aus einer peinlichen Situation gerettet hatte. Sie räusperte sich. »Wenn Ihnen kalt ist, dort in der Ecke liegt eine kleine Decke.«
»Danke für Ihre Fürsorge«, sagte er spöttisch.
»Ich könnte das Gleiche zu Ihnen sagen.«
Die Kutsche fuhr langsamer. Sie waren bereits am Square. Würde er bitten, mit hineinkommen zu dürfen? Ihre Angst vor der Sinnlosigkeit und der Erinnerung hatte sich zurückgezogen. Ihr Kopf war wieder klar. Gefährlich wie Langley mit seiner Fähigkeit zu beobachten und seiner Intuition war, war er jedenfalls interessant. Eine Fantasie durchzuckte sie, wie er nackt auf ihrem Bett lag, mit glühenden Augen. Er wäre kräftig gebaut, mit all den harten Muskeln gestandener Männlichkeit, nicht wie diese Jünglinge, die sie normalerweise nahm. Wie lange war es her, seit sie sich erlaubt hatte, Blut von einem jener Körper zu nehmen, an denen sie am meisten Gefallen fand? Sie würde ganz vorsichtig sein mit seiner Schulter. Die süße Reife seines Blutes, das Gefühl seines sich gegen ihren Bauch aufrichtenden Geschlechts …
Angst überkam sie. Solche Gedanken waren nichts für sie! Woher war dieser Impuls nach all diesen Jahren gekommen? Der Hunger nach Blut durfte nie mit Sex vermischt werden. Auf diese Weise verlor sie die Kontrolle.
Aber wahrscheinlich würde er nicht mit hinaufkommen. Er war zweimal von ihr fortgegangen. Sie schaute auf seine Schultern und dachte daran, wie sie sich beim Tanzen unter ihren Händen angefühlt hatten. Natürlich konnte sie ihn dazu bringen, mit ihr zu kommen … Der Gedanke an Asharti durchschauerte sie. Nein! Sie wollte ganz gewiss nicht, dass er unter Zwang zu ihr kam. Was dachte sie? Sie wollte doch gar nicht, dass er mitkam. Nicht heute. Nicht, wenn sie verletzlich war für … für was? Die Kutsche hielt an.
»Ich werde einen Jungen nach Ihrem Mantel und Hut schicken«, sagte sie, um Zeit zu gewinnen. Eigentlich wusste sie nicht, was er als Nächstes tun würde. Was für ein ungewöhnliches Gefühl! »Albany House, Nummer sechs, glaube ich.«
»Nicht nötig«, sagte er leichthin, während er den Schlag öffnete. »Ich werde ohnehin wieder zurückgehen.«
Er wollte tatsächlich schon wieder von ihr fortgehen. Welch unerträglicher Mann! Sie hätte erleichtert sein sollen. Er hatte sie vor sich selbst gerettet. Gott allein wusste, was geschehen wäre, hätte sie ihn in ihr Boudoir geholt. Er reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Durch den Handschuh fühlte sie wieder seine Wärme. Während sie den Tritt hinunterstieg, schaute sie hoch und fing die flüssige Hitze in seinen Augen auf. Ha! Er fühlte es auch. Er mochte davongehen, aber er begehrte sie. Vielleicht war dies das Beste beider Welten. Zu gewinnen, aber den Preis nicht zu fordern. »James«, rief sie dem Kutscher. »Bringen Sie Lord Langley zurück zu Bessborough House.«
»Sehr wohl, Mylady«, erwiderte James stoisch von seinem Kutschbock herunter.
Die Tür hinter ihr öffnete sich. »Betrachten Sie die Benutzung meiner Kutsche als teilweise Abgeltung meiner Schuld.«
Sie erwartete schon halb von ihm, dass er versprach, den Rest ihrer Schuld in Kürze einzufordern. Aber er nickte nur und stieg wieder in die Kutsche, die unverzüglich in die kühle Märznacht davonrumpelte.
Wie ärgerlich! Was für eine Erleichterung! Wie … interessant.
Kapitel 4
J ohn lehnte sich in die Polster von Lady Lentes gut gefederter Kutsche zurück, während sie, gezogen von einem erstklassigen Gespann kastanienbrauner Pferde, durch die Straßen Londons rollte. Sein Puls raste. Er war heute Abend nur knapp bei
Weitere Kostenlose Bücher