Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
herein.«
Kapitel 5
W o bleibt er, dieser Schuft? Er würde nicht kommen.
Beatrix stand unvermittelt auf. Es war fast Mitternacht. Sie hatte die anderen Gäste vor einer halben Stunde nach Hause geschickt. Grollend und voller Unmut hatten sie sich der Aufforderung gefügt. Jetzt ging Beatrix ans Klavier. Vielleicht würde Musik sie entspannen. Sie blätterte ungeduldig durch die Noten, bis sie auf Beethovens Klaviersonate in c-Moll stieß. Sie hatte sie immer an das Mondlicht erinnert: melancholisch und weise. Sie bot das Maß an Gefühl, das Beatrix brauchte, um sich zu beruhigen. Sie setzte sich und schlug die Partitur auf. Atme . Ihre Hände schwebten über den Tasten. Dann ließ sie sich von der Musik davontragen.
In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und Symington betrat das Zimmer. »John Staunton, Earl of Langley«, verkündete er ein wenig zu laut.
Beatrix blickte rechtzeitig auf, um Langley durch die Tür treten zu sehen. Sie holte tief Luft, und die Erkenntnis, wie sehr sie auf ihn gewartet hatte, ließ sie erröten. Er sieht nicht besser aus als jeder andere Mann , sagte sie sich, während sie ihr Zögern kaschierte, indem sie die Musik weiterfließen ließ, dramatisch, klagend. Sie durfte ihn nicht wissen lassen, wie stark seine Wirkung auf sie war. Ja, die grünen Augen und das schwarze Haar sind eine ungewöhnliche Kombination. Wahr ist auch, dass die leicht schräg stehenden Augen und der volle Mund nicht der Norm entsprechen. Normalerweise mochte sie Männer, deren Gesichtszüge kantig und herb waren. Seine waren es nicht. Das Grübchen am Kinn war fast keck und strafte seine ernsten Augen Lügen. Ihr Blick fiel auf seine breiten, leicht abfallenden Schultern, die muskulösen Oberschenkel und diese lächerlichen Kniehosen, auf denen sie bestand. Doch es gab viele, die so gut gebaut waren wie er. Sie konzentrierte sich auf die Musik.
Was hat er also an sich?
Der letzte Ton schwebte in der Luft. Beatrix starrte auf die Tasten und sehnte sich danach aufzuschauen.
»Sie sind eine großartige Pianistin, Gräfin«, sagte Langley gedehnt, nachdem er sich geräuspert hatte.
»Unsinn«, murmelte sie und sah ihn unter ihren Wimpern hervor an. »Alles, was es braucht, ist Übung. Ich hatte sehr viel Zeit dafür.« Langley stand da und starrte sie an. Sie erhob sich.
Er neigte den Kopf. Sie reichte ihm die Hand. Sie konnte die Smaragde spüren, die auf ihrer Brust ruhten und sich hoben und senkten. Er nahm leicht ihre Finger und streifte sie mit seinen Lippen. Gott sei gelobt für die Mode, Handschuhe zu tragen! Der Gedanke an seine Lippen auf ihren bloßen Fingern löste ein Pochen in ihr aus. Sie verdrängte weitere Bilder, die ungewollt in ihr auftauchten. Verdammt, der Mann war gefährlich!
»Lady Lente.« Sein Bariton klang halbwegs wieder so männlich wie der jedes Mannes, den sie kannte.
»Sie kommen spät, Langley.« Ihre Stimme war ein heiseres Flüstern. Sie räusperte sich. »Vermutlich sollte ich mich geschmeichelt fühlen, dass Sie es noch in derselben Woche einrichten konnten, in der Sie die Einladung erhalten haben.«
»Meine aufrichtige Entschuldigung. Ich hatte noch eine andere Verpflichtung. Die Einladung kam so kurzfristig«, murmelte er.
Dieser Schuft! Sie ging jede Wette ein, dass er keine weitere Verabredung gehabt hatte. Er sollte geschmeichelt sein, dass er eine Einladung für heute Abend bekommen hatte, statt erst für den nächsten Monat. Als ob sie einen Monat darauf hätte warten können, ihn zu sehen. Eine Stimme in ihr wisperte, dass ihr Interesse nur von kurzer Dauer sein würde. Sie gebot ihr zu schweigen. Von kurzer Dauer oder nicht, sie würde jenes Gefühl der Erwartung genießen. »Symington, Brandy.«
Symington verbeugte sich und verließ den Raum.
Beatrix versuchte, spröde auszusehen. »Erzählen Sie mir von Ihrer Verabredung.« Sollte die Schlacht beginnen.
Er lächelte und schüttelte den Kopf. Wie dieses Lächeln sein Gesicht veränderte! »Ich denke, dass in diesem Fall Diskretion angebracht ist«, murmelte er. »Wie geht es Ihnen heute Abend?« Welch eine Frechheit! Wie konnte er es wagen, ihre Unpässlichkeit anzusprechen. Und halt – sollte die Verwendung des Wortes »Diskretion« implizieren, dass er eine andere Frau besucht hatte? Wie konnte er es wagen?
»Ah, ich verstehe. Nun, jetzt sind Sie hier. Vielleicht unterhalten Sie mich mit ein wenig von der Konversation, für die Sie so gefragt sind.«
»Konversation ist es nicht, für die ich
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