Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
»Ihr beide habt mir das Interesse am Leben zurückgegeben.«
Asharti sah ihn an, als würde er sie auf eine Art anlügen, die sie nicht ganz verstand. Beatrix machte große Augen, während die Bürde seiner Worte sich auf ihre Schultern legte.
»Und deshalb«, sagte Stephan rasch, »kümmere ich mich darum, dass ihr lernt. Und das bringt uns zu den praktischen Übungen, meine Schönen.« Stephan erhob sich. »Morgen Nacht werde ich euch zeigen, wie man transloziert. Und wie man Blut trinkt, ohne Kehlen zu zerfetzen, Bea, und ohne seine Opfer leerzusaugen, Asharti.«
»Mir schmeckt eben der letzte Tropfen.« Ashartis Gesichtsausdruck war kühn.
»Menschen und Vampire leben miteinander in einem zerbrechlichen Gleichgewicht. Zerstöre diese Harmonie, und alle werden leiden. Jedes Mal einen Menschen zu töten, wenn wir für unseren Gefährten Blut trinken, würde dazu führen, dass die Menschen uns entdecken.«
»Aber wir sind stärker als sie«, wandte Asharti ein und zuckte mit den Schultern.
»Das ist wahr«, bestätigte Stephan. »Wir nehmen, was wir brauchen. Aber wir existieren im Geheimen, einer in jeder Stadt. Wir stillen unseren Hunger und lassen unsere Nahrungsquelle am Leben, um die Versorgung für kommende Zeiten zu gewährleisten.«
»Ich will tun, was mir gefällt, Stephan. Wer könnte mich aufhalten?« Das war eine direkte Herausforderung! Beatrix traute ihren Ohren nicht. War Asharti verrückt? Sie hielt den Atem an, erwartete, dass Stephans Augen sich rot färbten. Sie taten es nicht. Asharti lachte ein gerissenes Lachen über ihren Triumph und schickte sich an, aus dem Zimmer zu stolzieren.
»Es würde mir sehr leid tun, dich morgen zu Hause zu lassen, meine Liebe.« Stephan seufzte. »Aber Beatrix und ich kommen auch allein zurecht, wenn du dich nicht benehmen kannst.«
Asharti fuhr herum, ihre feinen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Das würdest du nicht tun.«
Stephan lächelte.
Beatrix schwitzte. Die Erinnerungen würden sie nicht in Ruhe lassen. Kehrte diese jahrhundertealte Lektion heute zu ihr zurück, um sie zu quälen, weil das Kloster Mirso tatsächlich das Einzige war, was ihr noch übrig geblieben war? Es war ein endgültiger Schritt, den Schwur abzulegen. Aber es konnte ihre einzige Verteidigung gegen die Dunkelheit sein.
Sie fühlte, wie sich ihr harter Griff lockerte. War die Dunkelheit eine Folge der Langeweile? Es stimmte, niemand sagte mehr irgendetwas, das sie nicht vorhersagen konnte. Alle Enttäuschungen waren bereits hundertmal durchlebt. Sie hing nicht am Leben, schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Die Kunst? Selbst die Kunst tröstete sie nicht mehr so wie früher. Sie würde alles darum geben, zurückgehen und einen anderen Weg durch den Schmerz finden zu können, den Stephan und Asharti ausgelöst hatten. Die Narben, die sie hinterlassen hatten, waren der einzige Hinweis auf das, was existiert hatte, herausoperiert, in einer Nacht vor mehr als sechshundert Jahren. Ein leiser Laut entschlüpfte ihr, ein Laut des Schmerzes oder des Protestes. Sie wusste es nicht.
Sie musste nicht schon heute Nacht über Mirso und den Schwur entscheiden.
Langley. Sie musste darüber nachdenken, wie sie mehr über Langley in Erfahrung bringen konnte.
John ging den Albany Court nahe des Piccadilly zu Albany House hinauf. Er befand sich auf dem Rückweg von einem Besuch bei Lady Hartford. Die Gräfin war definitiv zu der Gesellschaft am Mittwoch eingeladen. Wie kühn von Lady Hartford, dachte er zufrieden. Wären es doch nur nicht noch zwei Tage bis dahin! Der Portier überreichte John einen Umschlag; die Adresse war von einer weiblichen Hand geschrieben. Mit größtmöglicher Lässigkeit nahm John den Brief entgegen und gab dem Portier einen Schilling. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er die Treppe hinauf und betrat seine Wohnung. Er riss gerade den Umschlag auf, als Withering erschien.
Die Gräfin von Lente bittet um die Anwesenheit des Earl of Langley um 20 Uhr am Dienstag bei einer kleinen Gesellschaft, die am Berkeley Square Nr. 46 stattfinden wird. Sie hofft, er möge sich bemühen, dieses Datum nicht zu vergessen.
Das war alles. Keine Unterschrift, und nur die Provokation in der letzten Zeile verriet ihm, dass es eine persönliche Einladung war. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Brandy, Withering«, sagte er mit Frohlocken in der Stimme. »Ich werde mich morgen in die Höhle der Löwin wagen. In Kniehosen aus Satin. Sonst lässt sie mich nicht
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