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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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verlieh.
    »Danke für die Decke. Ich wäre sonst wohl erfroren.«
    »Schsch«, zischte ein anderer Gefangener. »Willst du bestraft werden?«
    Ein Wachmann riss den Kopf herum. »Du da!« Er zeigte auf John. »Vortreten.«
    Jetzt wusste John, warum es an Deck so still war. Er schob sich durch die Menge nach vorn. Eine Wache kam und befahl ihm, die Hände in den Nacken zu legen. Dann holte der Mann aus und versetzte ihm mit seinem Knüppel einen Schlag gegen den Kopf. John taumelte, hielt sich aber auf den Beinen. Sein Gegenüber war der, der ihn auch gestern Abend geschlagen hatte.
    »Oh, Lieutenant, hier haben wir einen ganz Harten«, gluckste der Schläger und holte erneut mit dem Knüppel aus. John bereitete sich auf den Schlag vor, aber jemand hinter dem Wachmann rief etwas mit einer näselnden Stimme.
    »Man hat mich vor dem gewarnt. Er wird bestraft werden, keine Sorge. Aber jetzt haben wir uns um Wichtigeres zu kümmern, Mr. Walden.«
    »Zurück an deinen Platz«, knurrte Walden, der enttäuscht über diesen Aufschub zu sein schien.
    John blieb stehen, wo er war, und betastete seine blutende Schläfe, bis Hände ihn packten und zurück in die Menge zogen. Er riss seinen Blick von dem Wachmann los, der sich über seine Frechheit so aufgeregt hatte. Was hatte Rose damit gemeint, er sei gewarnt worden? Unter den Gefangenen machte sich gespannte Erwartung breit.
    Der Lieutenant räusperte sich laut. »Ich weiß, dass ihr mörderischer Haufen gestern beim Zählappell betrogen habt, um euren dämlichen Landsleuten Zeit für ihre Flucht zu verschaffen.« Seine Stimme klang wie ein fortgesetztes Winseln.
    John konnte spüren, wie alle Gefangenen den Atem anhielten.
    »Zimmerleute sind gerade dabei, die Löcher zu verschließen, die ihr zwischen den Decks herausgeschnitten habt.«
    Wie clever, dachte John, Männer zwischen den Decks hin- und herzuschicken, sodass die Flüchtenden nicht vermisst wurden. Noch immer hielten die Gefangenen den Atem an. Sie kümmerte es nicht, ob ihre List aufgedeckt worden war, solange sie ihrem Zweck gedient hatte. John gefiel das schmierige Grinsen auf dem feisten Gesicht des Lieutenants nicht.
    »Gentlemen.« Der Lieutenant nickte vier Wachmännern zu, die daraufhin an den Stricken zu ziehen begannen, die von einem Ausleger auf dem Vorschiff über Bord hingen. Das Reiben der Stricke gegen das Holz wurde fast von einem furchtsamen Gemurmel übertönt, das durch die Menge der eng stehenden Körper lief, als man zu ahnen begann, was nun kommen könnte.
    Die Leiber, die über die Reling auf die Planken fielen, waren nackt und grauweiß; sie hatten sich offensichtlich schon einige Zeit in dem eiskalten Wasser befunden. Sie waren auf Haken aufgespießt ähnlich jenem, mit dem John gestern Abend an Bord gehievt worden war. Aber diese Haken waren den Männern nicht unter die Arme geschoben worden. Man hatte sie ihnen durch den Rücken getrieben, und sie traten vorn unterhalb des Brustbeins wieder aus dem Körper aus. Jegliches Blut war fortgewaschen. Sie sahen eher wie Tierkadaver denn wie menschliche Körper aus. Ein entsetztes Keuchen lief über das Deck. John erstarrte. Im Moment sah es ganz danach aus, als würde eine Flucht schwierig werden. Er hoffte, dass Faraday etwas einfallen würde. Er schaute die Wachmänner an und suchte nach einem Gesicht, das ein wenig freundlicher wirkte, aber er konnte nur harte Mienen oder selbstzufriedenes Grinsen sehen.
    »Ihr seht also«, fuhr der Lieutenant fort, »dass die Flucht missglückt ist. Wie üblich. Warum also tut ihr das?«, fragte er nachdenklich. »Sicher, es macht meinen Job interessanter, aber was bringt es euch? Enttäuschung und Tod.« Er rieb sich die Hände. »Jetzt zu eurer Bestrafung. Die Rationen werden drei Tage lang auf die Hälfte gekürzt.«
    Ein Stöhnen erhob sich von den Lippen der Gefangenen.
    »Und …« Die Stimme des Lieutenants übertönte das allgemeine Murmeln. »Jeglicher Handel mit der Küste ist untersagt. Ihr werdet von jetzt an mit den Rationen auskommen, die für Gefangene festgesetzt sind.«
    Bei dieser Ankündigung wandelte sich das Murmeln zu einem wütenden Knurren.
    »Und euer Hab und Gut wird konfisziert.«
    Die Gefangenen sahen sich in Panik um. Unter Deck war Tumult zu hören. Ein Flaschenzug zog jetzt ein Netz von unten herauf. Es war mit Bettzeug, Kleidung und einem Sammelsurium von Dingen gefüllt, die in jeder anderen Welt als Abfall bezeichnet worden wären. Das Netz wurde über die Bordwand

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