Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
fuhr fort, einen Löffel zu polieren, obwohl der bereits glänzte. »Es ist recht passend und sehr großzügig.«
»Oh. Ja.« Das schien schon so lange her zu sein. »Ist Ihre Schwester dort gut untergebracht?«
»Ja, Mylady. Es geht ihr bereits besser – dank des sonnigen Charakters des Hauses und dank Mrs. Cadogans angenehmer Gesellschaft.« Er räusperte sich und betrachtete prüfend den Löffel. Offensichtlich hielt er ihn noch nicht für sauber genug, denn er begann erneut, ihn zu polieren. »Mylady möchte gewiss hören, welche Neuigkeiten es in der Stadt gibt. Lady Freston ist wieder guter Hoffnung. Und Lord Langley ist zurückgekehrt, gerade erst heute Nachmittag.«
Beatrix’ Magen flatterte. Sie konnte nicht denken. Das war schlimm, nicht wahr?
Symington sah sie nicht einmal an. »Das ist seltsam. Lord Devonshires Kammerdiener sagt, dass Withering sehr aufregt gewesen ist, denn er hätte seinen Herrn bereits vor einigen Wochen zurückerwartet. Und jetzt ist er wieder da und sieht dünn und mitgenommen aus, recht angeschlagen.«
Beatrix hörte nicht hin. Langley war eine Erinnerung an … an andere Zeiten, in denen ihr Herz beteiligt war und sie fallen gelassen worden war. Aber sie musste ihn nicht sehen. Sie ging nicht aus. Sie hatte niemanden mehr am Berkeley Square empfangen seit … wie lange auch immer es her sein mochte. Und dennoch war da dieses verdammte Flattern im Bauch …
John stieg die Stufen zu Barlows Haus mit einiger Mühe hinauf. Es war fast neun Uhr abends. Er war noch immer nicht ganz bei Kräften, obwohl er eine riesige, mit den gefälschten Pfundnoten bezahle Mahlzeit vertilgt und eine ganze Nacht in Petersfield geschlafen hatte. Er musste Barlow Bericht erstatten, ehe er das eine tun konnte, was ihn diesen ganzen Reisetag über beschäftigt hatte, trotz seiner Müdigkeit.
Mrs. Williams führte ihn in Barlows Arbeitszimmer und kündigte ihm trotz seines Protests eine Mahlzeit an, ohne abzuwarten, ob ihr Herr ihn zum Essen einlud. Sie war eine der Frauen, denen die Freundlichkeit angeboren war. Er sah in ihr faltiges Gesicht und erkannte darin den englischen Charakter schlechthin. Sie konnte hartnäckig und mürrisch sein, wenn sie Barlow dafür schalt, seine Gesundheit im Dienste der Regierung vernachlässigt zu haben. Dennoch war da, wie bei Withering, ein Kern von Güte, und das spiegelte sich in ihren Augen wider. Waren Leute wie sie und Withering möglicherweise das Zünglein an der Waage von Englands Geschicken?
Barlow betrat das Zimmer. Er schien überrascht.
»Dachten Sie, ich würde es nicht schaffen?«, fragte John.
»Wir hatten Sie fast aufgegeben, nachdem Faraday auf die Ravenshead versetzt worden war. Ich wollte dieser Tage jemanden schicken, trotz des Risikos. Haben Sie den Namen?«
John nickte.
Barlow sah ihn an. »Mein Gott, Langley, Sie sehen ja aus wie eine Vogelscheuche. Geht es Ihnen gut?«
»Ich bin ein wenig angeschlagen«, gab John zu.
Barlow setzte sich und beugte sich vor. Wortlos wartete er ab.
John sammelte sich. »Sie werden es kaum glauben, aber Dupré hat den Namen einer Frau genannt. Asharti.«
»Eine Frau! Hat er Sie vielleicht zum Narren gehalten?«
»Ich denke, er hat mir die Wahrheit gesagt. Er wusste, dass er sterben würde. Er dachte, ich hätte ihr etwas Wichtiges mitzuteilen.«
»Natürlich – er ist tot, sonst hätten Sie ihn ja mitgebracht.«
»Ja.« John sagte Barlow nicht, dass nicht er Dupré getötet hatte.
Sie schwiegen eine Weile, während Mrs. Williams für John eine kalte Hammelpastete und eine ziemlich große Portion Plumpudding brachte und sich dafür entschuldigte, dass es nicht mehr wäre. John dankte ihr, bestätigte, er sei recht hungrig, und machte sich sofort darüber her. Als er schließlich eine Pause einlegte, um Atem zu holen, sah er, dass Barlow nachdenklich einen Finger an seine Lippen hielt und darauf klopfte.
»Asharti? Was für ein Name ist das?«, fragte er nach einer Weile.
»Ich habe keine Ahnung. Sie ist Comtesse und mit einem Mann namens Fanueille verheiratet. Kennen Sie ihn?«
Barlows Blick flackerte. John stellte sich vor, wie er seinen riesigen Speicher an Informationen durchging. »Ein verarmter Aristokrat niederen Adels aus der Provence … Der Titel ist falsch … Er ist in Bonapartes Ansehen gestiegen … Unter Soult hat er eine Division befehligt. Er ist zurückgekommen, um die Versorgungseinheit zu leiten – von Belagerungsgeräten bis zu gepökeltem Schweinefleisch und Ähnliches.
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