Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
fertig zum Ausritt. Sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, Langleys Pferd zu betrachten. Der Wallach hatte einen wunderbar starken Schulterbau. Er musste spät kastriert worden sein, denn sein Nacken war sehr muskulös. Wenn sie doch nur einen klaren Kopf bekäme, dann hätte sie sich wieder unter Kontrolle. Was tat sie hier, kurz vor Mitternacht mit dem Mann, von dem sie sich geschworen hatte, ihn nie wieder in ihre Gedanken zu lassen? Sie würde einen nächtlichen Ausritt mit ihm machen – etwas Kostbares für sie, etwas Intimes. Natürlich würde dies nicht ihr üblicher Ausritt werden – im vollen Galopp allein durch den Hyde Park –, der einen Skandal in der guten Gesellschaft auslösen konnte, wenn jemand davon erfuhr. Die bedauernswerten Parkwächter ersetzten die Schlösser, die sie regelmäßig am Nordosttor bei Marble Arch aufbrach. Nein, dieser Ausritt würde ein ruhiges Getrappel um den Square werden.
Nun, sie würde ihr Versprechen einlösen, aber sie würde ihr Herz aus dem Spiel lassen. War nicht ihr Herz das Problem? Sogar jetzt schlug es heftig in ihrer Brust.
Er führte die Pferde hinaus auf den Platz. Ihre Hufe klapperten auf den Steinen, die feucht vom Tau waren. Nebel hatte sich über die Stadt gelegt. »Mylady?«, sagte er. Während er die Zügel beider Pferde hielt, beugte er sich vor und verschränkte die Hände ineinander.
Sie hob das Kinn und setzte einen Fuß in seine Hände. Er hob sie mühelos hinauf, und Beatrix machte eine halbe Drehung, um sich in den Sattel zu setzen. Sie schürzte den Rock ein wenig, um ihr Bein um das Sattelhorn zu legen, und schob den anderen Fuß in den Steigbügel. Ihr Impuls war davonzugaloppieren, aber sie würde Langley nicht die Genugtuung verschaffen, sich ihm gegenüber unhöflich zu zeigen.
Dies war sein Ausritt, und sie würde hinter ihm her trotten, so wie er sich sicher in seiner beschränkten Vorstellung einen Ritt bei Nacht ausmalte. Er würde ängstlich und besorgt sein, wenn schon nicht seinetwegen, dann doch um ihretwillen. Eine Runde um den Platz, und sie hatte ihre Pflicht erfüllt.
Er schwang sich in den Sattel. Ihr Blick verweilte auf seinem Oberschenkel, der sich an das Sattelleder drückte. Er mochte einiges an Gewicht verloren haben, aber er war noch immer faszinierend gut gebaut. Dorrie tänzelte, und ihr muskulöser Rücken unter dem Sattel drückte sich gegen Beatrix’ intimste Stelle. Langley beobachtete ihr reiterliches Können, als sie Dorrie beruhigte, dann ließ er sein Pferd im Schritt angehen. Auf dem Platz wandte er sich nach Westen, ohne etwas zu sagen. Einige Kutschen tauchten aus dem Nebel auf. Falls Gestalten in den Schatten saßen, kümmerte das weder sie noch ihn.
Mit einem scharfen Einatmen erkannte Beatrix, dass er vorhatte, die Mount Street zum Hyde Park zu nehmen. In der Park Lane wandte er sich nach Norden, vorbei am Grosvenor Gate und am Brook Gate. Am Marble Arch Gate stieg er ab. Beatrix konnte kaum glauben, dass er das vorhatte. Aber er würde sich niemals Zutritt verschaffen können.
»Es ist offen«, verkündete Langley, noch bevor er das Tor erreicht hatte. »Die Wächter werden allmählich leichtsinnig.«
Er hatte gewusst , dass das Tor unverschlossen war. War es noch aufgebrochen von ihrem letzten Besuch? Wieso wusste er davon? Hatte er … dies vorbereitet?
Das Tor schwang auf. Nebel drückte aufs Gras, die Nacht machte ihn schwer. Langley schwang sich zurück in den Sattel und winkte Beatrix, ihm zu folgen. Dorrie tänzelte erwartungsvoll. Beatrix hielt sie fest am Zügel. Dies würde nur ein Spazierritt werden. Die Stute musste lernen, sich zurückzuhalten.
Beatrix war völlig überrascht, als unvermutet der große kastanienbraune Wallach an ihr vorbeischoss, von Langleys Sporen in seinen Flanken dazu ermuntert. Verdammt! Sie musste Dorrie kaum die Erlaubnis geben loszulaufen, schon hatte die Stute die Verfolgung aufgenommen. Dorrie war schnell und trittsicher dank ihrer Erfahrung mit dem nächtlichen Park. Beatrix ließ ihr freien Lauf. Sie donnerte dem Wallach hinterher. »Ha«!, rief Beatrix, und die animalische Freude an diesem Galopp hallte in ihr im Rhythmus von Dorries Hufen wider. Sie holten Langley und seinen Wallach ein, aber er hatte den Wallach bisher gezügelt; erst jetzt ließ er ihn laufen.
So einfach wird es nicht werden, Langley. Sie berührte Dorries Flanke mit dem Stiefelabsatz. Die Stute stürmte wieder voran. Die zwei Pferde galoppierten Nacken an Nacken über den
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