Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
zurückzukehren. Ich muss das alles für eine Weile hinter mir lassen. Diese Version von mir. Ich bin nicht wie du …« Darauf ging sie jetzt nicht weiter ein, und ich wusste nicht so genau, was sie damit meinte. Schließlich fügte sie hinzu: »Ich komme damit einfach nicht klar.«
Ich nickte, konnte das ungute Gefühl in der Magengrube aber nicht ignorieren. »Dann pass da oben aber gut auf dich auf.« Sie schob sich die Tasche über die Schulter. Der breite Ausschnitt ihres Oberteils rutschte weit genug zur Seite, um die Lilien-Tätowierung aufblitzen zu lassen, als sie sich ohne ein weiteres Wort umdrehte.
Erstaunlicherweise wirkte das Zimmer ohne sie nicht größer, wie zu erwarten gewesen wäre. Plötzlich kam es mir viel zu klein und klaustrophobisch vor. Die Leere schien mich zu umschließen. Als ich das Fenster öffnete, hörte ich von draußen gedämpfte Stimmen. Ich kletterte hinaus auf den Balkon, in die kühle Nachtluft, und atmete tief durch, um einen klaren Kopf zu kriegen. Eigentlich hatte ich mich nur an die Brüstung gelehnt, um in den dunklen Abendhimmel hinaufzusehen, aber nun sprang mir unten etwas ins Auge.
Da waren sie: Lance und Sabine standen sich unten im Hof Auge in Auge gegenüber. Er trug ihre Tasche, und sie hatte ihn am Handgelenk gepackt, schüttelte seinen Arm und sagte irgendetwas zu ihm, das ich nicht genau verstehen konnte. Er nickte, wandte den Blick ab und hängte ihr die Tasche über die Schulter. Dann lehnte er sich vor und küsste sie, während er ihr einen Arm um die Taille schlang. Ich blieb nur lange genug, um mitzubekommen, dass der Kuss enthusiastisch erwidert wurde. Mir drehte sich der Magen um, auf einmal wurde mir ganz schlecht, und in meinem Kopf drehte sich alles: Plötzlich überkam mich ein Gefühl der Leere, als hätte ich etwas verloren, das mir sehr viel bedeutet hatte. Mehr wollte ich wirklich nicht sehen. Selbst nach den Vorfällen dieses Tages, bei denen es um Leben und Tod gegangen war, versetzte mir das noch einen Stich.
Am nächsten Morgen waren Drew und ich gerade auf dem Friedhof in unsere Malsachen geschlüpft, als Lance vor den Toren mit einem heruntergekommenen Pick-up vorfuhr, der früher mal weiß gewesen war und auf dessen Ladefläche sich Werkzeug, riesige Schaufeln, Mülleimer, Planen und Marmorplatten stapelten. Drew fing mit dem Streichen an und warf mir einen vielsagenden Blick zu.
»Heißt das, wir arbeiten jetzt wieder zusammen?«, rief ich Lance zur Begrüßung zu, als ich zu ihm rüberging. Seit der Szene im Innenhof hatten wir nicht miteinander gesprochen, und meine Stimme wusste nicht so recht, in welchem Tonfall sie sich an ihn wenden sollte.
»Drüben in der LaLaurie-Villa bin ich jetzt fertig, also soll ich hier eine Gruft bauen.« Er zog ein paar Rollen aus seiner Gesäßtasche und strich sie auf der Motorhaube des Wagens glatt. »Das wird eins von diesen rechteckigen Kastendingern, nicht so was Ausgefallenes wie vom Abend des Rituals oder so.« Die letzten Worte sprach er leise aus, so als täte es ihm leid, unseren nächtlichen Ausflug überhaupt zu erwähnen, während er auf die Pläne deutete. »Das wird eher so zwei Meter bis zwei fünfzig hoch.« Er zeigte mir das Raster inmitten eines Meers von Maßen und einer unglaublich perfekten Handschrift. Und als ob er meine Gedanken gelesen hätte, fügte er dann noch hinzu: »Das dauert auch nicht lange.«
Nachdem ich ihm dabei geholfen hatte, das Material abzuladen, zog ich mich zurück, damit er in Ruhe seine Arbeit machen konnte. Einen Moment lang blieb ich hinter einem Grabmal ganz in der Nähe stehen und sah ihm dabei zu, wie er das Fundament aushob. Er war einfach übermenschlich stark geworden. Dann trug er die Marmorplatte, die fast so groß war wie er selbst, unter dem Arm herbei wie ein riesiges Skateboard. Er legte sie auf zwei Sägeböcke, holte aus und teilte sie dann mit der Handkante in perfekte, saubere Hälften. Ebenso die nächste Platte. Das alles führte er so locker-flockig aus, als handele es sich um dünnes Styropor; es sah nicht so aus, als hätte es auch nur ein bisschen wehgetan. Natürlich hätte er sich dabei eigentlich die Hand brechen müssen.
Dabei zuzusehen, wie Lance seine neu entdeckten Kräfte so lässig vor uns zur Schau stellte, weckte meinen Ehrgeiz. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass sich niemand in der Nähe befand, legte ich los. Ich baute mich vor einer Gruft auf und konzentrierte mich mit aller Kraft auf einen der Pinsel. Mein
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