Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
das wohl je wieder passieren würde oder ob das beim letzten Mal nur Zufall gewesen war, so wie das eben lief, wenn zwei Leute mit einer gemeinsamen Vergangenheit sich nach Mitternacht in einem dunklen leeren Raum trafen. »Ich muss gehen«, flüsterte er wieder, er war mir aber immer noch so nahe, dass ich die Bewegung seiner Lippen spüren konnte. »Ich will nicht, aber ich muss los.«
Ich nickte und rührte mich dann einige Sekunden nicht. Aber auch ich wollte es lieber nicht übertreiben, also stand ich irgendwann auf. Kurz bevor ich mich zu weit entfernen konnte, griff er nach meiner Hand.
»Wir sehen uns bald wieder. Versprochen«, flüsterte er. »Aber wegen der Vorbereitungen, die heute Abend beginnen, kann es sein, dass ich für einige Zeit nicht kommen kann. Dann hinterlass ich dir aber Nachrichten, okay?«
Damit schritt ich hinaus in die kalte Luft, die wie ein Schlag ins Gesicht war und mich so auf meinem Weg zum Wohnheim zurück in die Wirklichkeit holte.
Dort warf ich durch die Haustür einen Blick in den Flur, schlich so leise wie möglich hinein, als ich niemanden entdeckte, und eilte dann zu meinem Zimmer. Er stand vor meiner Tür und hämmerte dagegen.
»Hey, was ist denn los?« Ich versuchte, mich nicht so schuldbewusst anzuhören, wie ich mich fühlte.
Lance drehte sich um. Er schwitzte und sah mich mit nervösem, wirrem Blick an. »Ich war da«, stieß er hervor. Ich machte die Tür auf, und er folgte mir ins Zimmer.
»Was denn? Wo?«
Er hielt den Kopf in beiden Händen und marschierte jetzt auf und ab. »Ich war mit bei dieser Party. Es war aufregend und hat Spaß gemacht, aber dann war da auch noch all das andere. Und ich weiß nicht, ob ich … Oh Gott, oh Gott, oh Gott … Sag mir, dass ich nichts damit zu tun habe. Da war ich aber auf jeden Fall. Ich habe die Leichen gesehen. Ich habe gesehen, wie diese Leute umgebracht wurden. Ich war dabei, war mit ihnen unterwegs. Ich war die ganze Nacht da. Ich hab alles gesehen. Und danach habe ich mich gut gefühlt. Wie kann ich mich denn nach so etwas gut fühlen? Was ist denn nur los mit mir? Was bin ich bloß für ein Monster?«
Ich hörte ihm einfach nur zu und suchte nach irgendeinem Hinweis darauf, worum es eigentlich ging. Das ergab alles gar keinen Sinn. Inzwischen hatte er zu keuchen begonnen. »Wie konnte das überhaupt passieren? Warum ich? Was hab ich nur getan?« Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und übte dann Druck auf seine Schläfen aus, als versuche er all diese verrückten Gedanken zu stoppen, die da durch seinen Kopf schwirrten. Er blieb stehen, ließ die Arme sinken und sah mich an, als hätte ich die Antwort auf all seine Fragen. Dem war aber nicht so. Ich fasste ihn sanft bei den Armen und führte ihn rüber zu Sabines Bett. Dort setzte ich ihn hin und nahm dann neben ihm Platz.
»Wovon redest du da, Lance?«
Er holte tief Luft, schloss kurz die Lider und sah mir dann direkt in die Augen. »Diese eine Nacht, in der ich hier aufgetaucht bin, weißt du noch? Mit diesem Ding auf dem Arm. Als es so aussah, als sei ich hinüber, weil ich zu viel getrunken hatte. Da war ich mit denen zusammen gewesen. Mit der Krewe.«
Ich schüttelte den Kopf. »Aber woher willst du das denn wissen? Du konntest dich doch an nichts mehr erinnern. Wie kannst du da so sicher sein?«
»Ich weiß es nicht, ich bin einfach sicher. Ich kann es schlecht erklären, aber ich bin eben beim Lesen eingeschlafen und hatte diese Träume, die gar keine Träume waren. Und ich habe mich plötzlich genauso gefühlt wie an dem Abend – der Rausch und die Aufregung, dieses Mal waren da aber auch noch ganz andere Bilder. Erinnerst du dich noch an all die Toten, die am nächsten Tag gefunden wurden?« Ich nickte. »Ich sah das alles vor mir, als wäre ich dabei gewesen, als es passiert ist. Und ich weiß, dass ich da war. Und da war noch etwas. Ich dachte nämlich, dass Sabine auch dabei war, aber irgendwie ist das seltsam. Am Anfang war es nämlich Sabine, und irgendwann gab es da nur noch diese verschwommene Silhouette. Das ist wie ein blinder Fleck in diesem Traum, aber ich weiß einfach, dass sie das war.« Jetzt packte er mich am Arm und drückte ihn ganz fest. »Sag mir doch bitte, dass ich das alles nicht getan habe, dass ich da falschliege! Was ist mit mir passiert? Warum habe ich in dem Moment geglaubt, dass das die aufregendste Nacht meines Lebens war? Das dachte ich nämlich wirklich. Und das macht mir Angst.«
Ich ließ mir seine Worte
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