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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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Blick war bestimmt, unbeirrt. Innerhalb von Sekunden flog mir das Malwerkzeug in die Hand. Der Griff fühlte sich ganz heiß an. Ich war begeistert von meinem Erfolg, und da kam mir noch eine Idee. Ich kehrte der Arbeit einen Moment den Rücken, drehte den Pinsel in den Händen und betrachtete dabei die Bäume, die ihre Äste über der Friedhofswand ausstreckten. Einer davon hatte genau die richtige Größe, und zwischen den belaubten Zweigen war viel vom Stamm zu sehen. Ich wählte eine Stelle in etwa sechs Metern Entfernung aus, ging in Position und visierte dieses Ziel an. Dann machte ich einen Schritt zurück, holte aus und schleuderte den Pinsel. Er sauste durch die Luft und landete mit einem Knacken am Baumstamm über der Friedhofsmauer. Die scharfe Kante des Griffs hatte sich fast ganz oben in die Rinde gebohrt. Falls ich da jetzt nicht raufklettern wollte, musste ich wohl einen anderen Pinsel benutzen, um an der Gruft der Degas-Familie, die man mir heute zugeteilt hatte, die Kanten nachzubessern. Insgeheim war ich mit mir wirklich zufrieden: Meine Fortschritte beim Schwebetraining gaben mir Hoffnung. Und obwohl ich es mir nur ungern eingestand, fand ich Lance’ Gesellschaft trotz unserer momentanen Probleme irgendwie tröstlich. Ich lauschte dem dumpfen Krachen, das zu hören war, wenn er die Steinplatten zusammenfügte, und ich suchte nach Gründen, um immer mal wieder an seinem Arbeitsplatz vorbeizuschlendern.
    Der Abend hätte nicht banaler sein können: erst Nachhilfe, danach die Hotline, und dann kehrte ich nach Hause zurück, um die Fotos durchzugehen (keine neuen Opfer, aber die Aufnahme von Sabine hatte sich auch nicht zum Besseren verändert). Zum Schluss machte ich noch die Wäsche. Aber das alles diente einzig dem Zweck, mich abzulenken. Selbst nach den Geschehnissen bei meinem letzten Ausflug nach nebenan brachte ich es immer noch nicht über mich, Dante oder jemand anderem meine Pläne zu verraten. Objektiv betrachtet war mir natürlich klar, dass ich eigentlich Bescheid sagen musste – es war sogar gefährlich, niemanden einzuweihen. Absolut leichtsinnig. Aber ich wollte einfach nicht, dass mir jemand die Sache ausredete, so einfach war das. Und ich hatte auch keine Lust, einen Anstandswauwau mitzunehmen. Niemand vertraute Lucian, und das konnte ich durchaus akzeptieren, aber ich sah das eben anders.
    Nun stand ich also auf der Veranda und schickte mich an, die Tür zu öffnen. Ich atmete einmal tief durch und rüttelte am Knauf. Da diesmal nicht abgeschlossen war, drehte ich ihn langsam um und schob die knarrende Tür auf. Ich ging hinein, schloss die Tür so leise wie möglich wieder hinter mir und wappnete mich für einen möglichen Angriff.
    »Hey«, ertönte es da hinter meinem Rücken.
    Keuchend fuhr ich herum. In so unmittelbarer Nähe hatte ich ihn nicht erwartet. Er saß auf der Treppe und wurde vom Licht der Straßenlaterne in einen sanften Schein getaucht.
    »Es tut mir so leid«, beteuerte er. »Heute bin nur ich allein hier, garantiert.«
    »Gut.« Ich stieß die Luft aus, aber mein Puls beruhigte sich deshalb noch lange nicht.
    »Ich bin wirklich beeindruckt, dass du es letztens dann doch irgendwie ins Haus geschafft hast, auch wenn ich wünschte, du hättest es nicht gemacht. Geht’s dir gut?«
    »Ja, er hat mich einfach nur … überrascht. Ich meine, mir war nicht klar gewesen, dass hier jetzt alle möglichen Leute rumhängen. Ich dachte, du hättest gesagt, dass hier sonst niemand herkommt. Müssen wir jetzt auch mit Gesellschaft rechnen?« Eigentlich wollte ich nicht so ängstlich klingen, aber ich hatte auch keine Lust auf weitere Überraschungen.
    »Sorry.« Geknickt schüttelte Lucian den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, was er hier wollte. Normalerweise treiben sie sich viel lieber draußen rum, wo es zur Sache geht. Aber wir sollten unsere Treffen lieber so kurz wie möglich halten. Und pass mit diesem Typen auf, okay? Mit dem ist nicht zu spaßen.« Ich fragte mich, was einen Höllenbewohner wohl gefährlicher machte als die anderen, nickte aber lediglich. »Also, komm doch mal her.« Er winkte mich zur Treppe rüber, und ich ließ mich neben ihm nieder. Seine grauen Augen leuchteten in der Finsternis, und sein vertrauter Zedernduft machte mich ein wenig schwindelig. »Ich habe leider nicht viel Zeit«, erklärte er entschuldigend. »Heute Abend steht nämlich ein Treffen an. Sie beginnen, das Personal für den Tag der Metamorphose zusammenzuziehen.« Er machte eine

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