Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
dir mehr sagen, aber es wird immer schwieriger, etwas Neues herauszufinden. Man ist mir gegenüber misstrauisch. Ich werde mit aller Kraft versuchen, vor unserem Treffen noch weitere Informationen für dich zusammenzutragen.
Dein
L
Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Ich konnte spüren, wie sich mir ein Panzer um Körper und Seele legte, der mich schützte und stärkte. Jetzt schien mich nichts mehr überraschen zu können. Wie zum Beispiel, als wir bei der Polizei angerufen hatten, um ihr einen anonymen Tipp zu geben und sie auf das Grabmal von Lance hinzuweisen. Man hatte die Gruft ausgehoben, aber absolut nichts gefunden. Wenn ich diese Gänge nicht selbst mit Lance erkundet hätte, ich wäre davon überzeugt gewesen, das alles nur geträumt zu haben. Und da wir schon mal dabei waren, riefen wir die Gesetzeshüter immer und immer wieder an – die nächsten Male übernahmen das River, Drew und Tom –, um vor Gefahren am Tag der Mardi-Gras-Feierlichkeiten zu warnen. Zumindest würde die Polizei mit allen Einsatzkräften unterwegs sein, selbst wenn es ihnen in der Vergangenheit nicht gelungen war, etwas gegen die Dämonen auszurichten.
Ein anderes Telefonat war für mich persönlich aber viel aufreibender, nämlich der Anruf, den ich Joan noch schuldete. Ich hatte sie lange genug vertröstet, die Mailbox rangehen lassen, wenn sie sich meldete, und dreist, völlig unverfroren jede Erwähnung ihrer möglichen Reisepläne ignoriert. Aber jetzt, 48 Stunden vor meinem eventuell letzten Tag auf Erden, konnte ich nicht länger warten. Auf dem Bett zusammengerollt wählte ich ihre Nummer. Sie ging sofort ran.
»Oh, hallo! Dich zu erwischen ist ja wirklich nicht so einfach!«, sagte sie zur Begrüßung.
»Ich weiß, ich weiß, tut mir leid. Aber hier war einfach … so viel los.«
»Ja, ja, bei dir ist doch immer viel los. Viel zu viel, um zuhause anzurufen«, hielt sie mir vor, aber ihre weiterhin gutgelaunte Stimme verriet mir, dass sie nicht wirklich sauer war. Noch nicht.
»Es tut mir leid, ich …«
»Lass es gut sein, mein Schatz. Ich weiß ja, dass du schwer beschäftigt bist.« Sie verstummte einen Moment, als suchte sie nach den passenden Worten. Das machte mich nervös.
»Ist alles in Ordnung?«
»Ja, schon. Na ja, also, werd jetzt bitte nicht wütend, aber … aber ich habe da eine Überraschung«, fing sie dann behutsam an.
»Ooookay.« Ich machte mich auf alles gefasst.
»Ich habe einen Flug gebucht, um dich zu besuchen. Dafür hab ich zwar mehr ausgegeben, als ich eigentlich sollte, aber ich konnte einfach nicht widerstehen – ich wollte dich unbedingt bei der Parade sehen!«
In meinem Kopf schrillten alle Alarmglocken: Sie würde hierherkommen! Zum ungünstigsten Zeitpunkt, im gefährlichsten Moment! »Joan, das geht nicht!«, platzte es aus mir heraus, bevor ich noch darüber nachdenken konnte. Es hörte sich weitaus schroffer an als beabsichtigt.
»Was?« Sie klang entsetzt, plötzlich war all ihre fröhliche Aufregung verflogen.
Ich machte einen Rückzieher. »Nein, sorry, ich meine nur – ich würde dich ja unheimlich gerne sehen, aber ich kann nicht … das geht einfach nicht. Ich kann … ich kann dich nicht hierhaben, nicht jetzt.« Es brach mir das Herz, ihr das zu sagen, und auch noch mit solchem Nachdruck, aber ich musste mich vergewissern, dass diese Botschaft auch wirklich ankam. Ich wollte sie schützen, und dafür musste ich sichergehen, dass sie so weit weg wie möglich war. Am anderen Ende der Leitung herrschte so vollendete Stille, dass ich befürchtete, der Anruf sei unterbrochen worden. »Bist du noch da?«, fragte ich schließlich sanfter.
Als sie schließlich sprach, verriet mir ihre Stimme, dass sie mit den Tränen kämpfte: »Ich weiß wirklich nicht, warum du so wütend auf mich bist, Haven. Ich wollte dich doch einfach nur sehen. Ist das so furchtbar? Ich weiß ja, dass du beschäftigt bist, aber … Ich hätte nie geglaubt, dass du mir so was sagen würdest. Ich dachte, das wäre eine tolle gemeinsame Erfahrung. Du gehst doch bald aufs College, und das wird sicher eine aufregende Zeit für dich, aber du wirst mir so fehlen. Ich vermisse dich ja jetzt schon.« Offensichtlich hatte ich da einen wunden Punkt getroffen.
Ich fühlte mich furchtbar. Das Einzige, was mich weiterreden ließ, war der Gedanke, dass sie nur dann in Sicherheit war, wenn ich sie von mir fernhielt. Sie sollte nicht in die Schlacht hineingeraten, die hier toben würde. Für den
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