Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
Diätcola bereits runtergekippt und kaute nachdenklich auf seinen Eiswürfeln herum. »Alles beim Alten. Dieses Haus ist eine absolute Bruchbude«, murmelte er und schob seine Brille zurück.
»Die Eingangshalle sah ja schon übel aus.«
»Und der Rest ist noch viel schlimmer. Einige Teile sind ausgebrannt. In anderen bleiben nur noch verfaulte Balken. Das Ganze ist mehr wie die Röntgenaufnahme eines Gebäudes. Man kann zwischen den unterschiedlichen Stockwerken durchgucken, überall sind Löcher.«
»Konntest du herausfinden, ob irgendwer, äh, oben gewesen ist?«, flüsterte ich und spielte mit meiner Halskette herum.
»Das kann ich wirklich nicht sagen. Im Moment gibt es eigentlich gar kein ›oben‹.« Er sah mir dabei nicht in die Augen, so wie Spione das in Filmen machten, wenn sie sich unterhielten und dabei die Umgebung im Auge behielten, statt sich anzuschauen. »Die ganze Villa ist so baufällig, dass wir uns mit dem Wiederaufbau von unten hocharbeiten müssen. Aber so oder so erreichen wir irgendwann auch die oberen Stockwerke.«
Als Kellner in Smokings mit übervollen Brotkörben erschienen, entschuldigte sich Dante kurz und ging in Richtung Toilette davon. Lance und ich warfen uns rasch einen Blick zu, dann stand ich auf und verschwand ohne ein Wort. Ich fand Dante am Ende des schwach erleuchteten Flurs, direkt vor der Klotür. Er spielte mit seinem Handy herum. Als er mich herankommen hörte, schob er das Telefon wieder in die Tasche und zog eine winzige Dose hervor.
»Irgendwie hab ich immer noch das Gefühl, dass wir damit zu verschwenderisch umgehen«, flüsterte ich, als ich näher kam.
»Ich überlege mir was, versprochen. Im Moment denke ich aber, dass es das Beste ist.« Mir war schon klar, dass er Recht hatte, aber ich hatte einfach Angst vor dem Moment, an dem das wertvolle Antidot zur Neige ging. Seit unserem ersten Abend hier hatten wir diese Blätter täglich genommen.
»Also, greif zu«, sagte er. Ich nahm mir ein mottenflügeldünnes Blättchen und ließ es auf der Zunge zergehen.
Am anderen Ende des Ganges erschien wie erwartet Lance und kam auf uns zu. Dante hielt auch ihm die Dose hin, aber als er die Hand ausstreckte, um sich ein winziges Blatt zu nehmen, ging die Tür auf. Plötzlich fiel das Licht aus dem Saal auf uns, und hinter Lance erschien Sabine.
»Hey, Leute!«, rief sie. »Hier steigt also die wahre Party!« Rasch steckte sich Lance das Blatt in den Mund. »Hab ich irgendwas verpasst? Ooooh, sind das Minzbonbons? Krieg ich auch eins?«
Hastig klappte Dante die Dose zu. »Das war das letzte, tut mir leid«, behauptete er mit einem ungezwungenen Lächeln. Ich hingegen war total durch den Wind. »Wir sehen uns da drin!« Er deutete auf den Speisesaal. »Ich bin kurz vorm Verhungern!«
»Du kommst gerade rechtzeitig zum Essen«, sagte ich zu Sabine und versuchte, locker zu klingen. »Du hast wirklich nichts verpasst.«
»Ich komme gleich nach«, versprach Lance und ging in Richtung Herrentoilette weiter.
»Ich musste mich einfach ein bisschen frischmachen. Also, weißt du, nach dem langen Tag in der Stadt der Toten war ich einfach platt.« Sabine strich sich über das seidige Haar und sah natürlich kein bisschen platt aus.
»Na ja, diese Streicherei ist auf jeden Fall ein gutes Training. Dabei werden viel mehr Muskelgruppen beansprucht als erwartet«, witzelte ich, als wir uns zurück auf den Weg zum Saal machten.
»Absolut.« Sabine sah nicht so aus, als würde sie meinen Worten auch nur das kleinste bisschen Aufmerksamkeit schenken. Sie spielte am Verschluss ihres Armbands herum und schaute nach links und rechts. Direkt vor der Tür wurde sie langsamer, packte mich am Arm und zog mich ein paar Schritte beiseite. »Haven, ich muss mit dir über was reden.« Sie blieb an einer Stelle stehen, an der uns die Restaurantgäste nicht sehen konnten. Kellner eilten mit Tabletts voll pikanter Köstlichkeiten an uns vorbei.
»Ach, echt?« Ich wollte gar nicht so skeptisch klingen. Sie ließ meinen Arm los und schaffte es kaum, mir in die Augen zu sehen, so nervös war sie. »Alles in Ordnung?«
»Ich hab gesehen, was Dante da hatte«, flüsterte sie.
Mir blieb beinahe das Herz stehen. »Was meinst du denn?« Ich stellte mich dumm.
»Ich habe die Blätter gesehen. Und ich weiß auch, wozu sie gut sind. Ich hab selber welche, mein Vorrat ist aber fast aufgebraucht.«
Jetzt drängten sich mir tausend Fragen auf, und alle Alarmglocken schrillten. Ihr eindringlicher
Weitere Kostenlose Bücher