Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
Blick zurück.
»Es ist also so weit. Wir müssen jetzt gut aufeinander aufpassen. Und zwar ständig. Denn wenn sie uns wollen, wissen sie, wie sie uns kriegen.« Den Rest des Abends war er ziemlich still. Angeblich war er müde und ging früh ins Bett. Ich bedrängte ihn nicht weiter.
Als ich noch am selben Tag das Licht im Nachbarhaus wieder bemerkte, setzte ich mich im Bett auf und sah zur Ecke der Villa rüber. Es leuchtete exakt um Mitternacht auf, und dann erschien eine Figur am Fenster. Es war der geisterhafte Umriss eines Mannes, im Mondlicht konnte ich aber nicht mehr als die unscharfe Silhouette erkennen. So wie er den Kopf neigte, war allerdings klar, dass er zu meinem Zimmer, zu mir herübersah. Ich erschauderte, trotzdem überraschte ich mich selbst damit, dass ich die Leiter hinunterstieg und zum Fenster rüberging. Dann machte ich das Fenster auf und kletterte hinaus auf den Balkon, der genauso verwaist dalag wie der Hof. Ich sah zu dem Licht hinüber, bis es schließlich erlosch.
In den nächsten zwei Nächten leuchtete es pünktlich um Mitternacht wieder auf.
Connor hatte versprochen, dass er uns Freitagabend zu einem Festschmaus in ein berühmtes Restaurant, ein echtes Wahrzeichen von New Orleans, einladen würde, um unsere erste Arbeitswoche zu feiern. Das Antoine’s war gerammelt voll, und es saßen ausgelassene Gäste an jedem Tisch, als uns der Wirt durch mehrere Räume nach hinten zu einem Separee führte. Der prunkvolle Raum, in dem ein funkelnder Kronleuchter von der Decke hing, war in dunklem Grün mit goldenen Akzenten gestaltet und schien gleichzeitig als Museum zu dienen. In Vitrinen an den Wänden waren Ballkleider, Tiaren, Kronen, Umhänge und Zepter früherer Könige und Königinnen des Mardi Gras, des lokalen Karnevals, ausgestellt. Ich setzte mich ans Tischende zu Emma, die sich dort weit weg von sowohl Connor als auch Jimmy niedergelassen hatte. Einen Moment lang fragte ich mich, ob sie wohl einfach nicht schnell genug gewesen war oder ob sie den beiden mit Absicht aus dem Weg ging.
Dann bot ich an, Fotos von allen am langen Bankett-Tisch zu schießen. »Okay, diese Seite hab ich. Danke, Leute«, rief ich, schaute mir die Aufnahme über das Display an und stellte fest, dass ich tatsächlich gut die Hälfte der Leute auf dem Bild hatte.
Ich hatte beschlossen, den Rat des Handys zu befolgen und mich auf meine Erfahrungen aus dem Lexington zu besinnen. Dort hatte ich nämlich festgestellt, dass meine Porträts die wahre Natur eines Menschen zum Vorschein bringen, ihre Seele entblößen konnten, um zu zeigen, was sich hinter ihrer Fassade wirklich verbarg. Wenn dieser Mensch böse war, würde sein Abbild auf dem Foto langsam zerfallen, so einfach war das. Man hatte mir die Macht gegeben, die Aufnahmen zu zerstören und diese Wesen damit in die Unterwelt zu verbannen. Einfach war das allerdings nicht – eine Konfrontation mit ihnen bedeutete einen Kampf auf Leben und Tod, wie ich wusste, weil ich in diesem Jahr schon einmal gegen sie in die Schlacht gezogen war. Aber ich konnte es schaffen.
»Okay, auf drei. Eins, zwei, drei – lächeln!«, rief ich mit meiner muntersten Stimme, die in meinen Ohren ganz unnatürlich klang, und drückte ab. Ich warf einen raschen Blick auf das Bild. Ebenfalls ein Treffer. »Danke!« Dann kehrte ich zu meinem Platz an Lance’ Seite zurück.
»Hast du ein paar gute Aufnahmen?«, fragte er wissend.
»Ja, alles klar«, antwortete ich und schob die Kamera in meine Tasche. Die stellte ich auf den leeren Stuhl neben mir. Ich hielt einen Platz für Sabine frei, die mir eine SMS geschickt hatte, dass sie nur noch einen Block entfernt war. Sie hatte darauf bestanden, nach der Nachhilfe noch kurz nach Hause zu gehen, um sich umzuziehen. Offensichtlich hatte Emma ihr das ultimative Kompliment gemacht. »Bist du sicher, dass du keine Südstaatlerin bist?«, hatte die Rothaarige sie mit dem hübschen Akzent gefragt, als sie sich aus der Gruppe gelöst hatte, um sich auf den Weg nach Hause zu machen. Sabine war geschmeichelt gewesen und ganz rot geworden.
Dante saß mir gegenüber neben Max, und die beiden schienen völlig in ihrer eigenen kleinen Welt versunken zu sein, sie plauderten und lachten wie alte Freunde. Niemand würde glauben, dass sie sich erst diese Woche kennengelernt hatten. Die restlichen Jungen hatten sich an der anderen Tischhälfte rund um Connor geschart.
»Also«, sagte ich zu Lance, »irgendetwas Neues nebenan?«
Er hatte seine
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