Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
mehr als ein Dutzend Kinder verschiedenen Alters eingefunden hatten, blieb ich zurück und ließ Lance mit den anderen vorgehen, dann packte ich Dante hinten am T-Shirt.
»Hey!«, protestierte der.
»Ich muss dir was sagen«, flüsterte ich. Mein Tonfall war unmissverständlich. Als er meine ernste Miene sah, nahm sein Gesicht einen ähnlichen Ausdruck an, und er war ganz Ohr.
»Wow«, war zunächst alles, was er hervorbrachte, als er einen Blick auf die Nachricht warf.
»Liest du da einen bedrohlichen Unterton heraus, oder ist das eher informativ? So im Sinne von ›Nur damit ihr es wisst – ich bin in der Nähe‹?«
»Hm …« Er biss sich auf die Lippe, als wollte er lieber nicht darauf antworten, was eher auf eine bedrohliche Interpretation schließen ließ.
»Außerdem dachte ich letztens, ich hätte abends im Fenster der Villa etwas gesehen, aber das habe ich mir vielleicht nur eingebildet.«
Dante ließ den Kopf hängen und überdachte die Sache, dann sah er zu mir auf, als er mir das Stück Papier zurückgab. »Hör mal, Haven, du hast es ja selbst gesagt. Wir haben keine Ahnung, was während seiner Zeit, du weißt schon, da unten, alles mit Lucian passiert ist. Der Fürst ist offensichtlich immer noch hinter dir her – hinter uns«, fügte er hinzu. Das war seine Art, mich zu trösten. »Und wir können wirklich nur …«
»Ich weiß, ich weiß, wir müssen jederzeit davon ausgehen, dass einfach jeder gegen uns ist. Wir haben keinen Grund, etwas anderes anzunehmen.« Ich seufzte. »Die wahre Frage ist aber …«
»Lance«, führte Dante meinen Gedanken zu Ende.
»Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich es ihm nicht verheimlichen darf, aber … ich kann es ihm einfach nicht erzählen. Ich weiß auch nicht, warum …«
»Ich aber. Weil er völlig ausflippen wird.«
»Genau. Oder?«, fragte ich.
»Ja, aus verschiedenen Gründen. Ich meine, wow !«
»Aber mir kommt es auch nicht richtig vor, es ihm nicht zu sagen. Schon allein aus Sicherheitsgründen sollten wir alle darüber Bescheid wissen. Richtig?«
»Äh, ja, das würde ich auch so sehen«, bestätigte Dante. »Aber auf der anderen Seite haben wir dann das klassische Exfreund-Problem. Ich will dir nichts vormachen, aber …«
»Ich hab es doch nicht drauf angelegt. Und Lucian ist auch gar nicht mein Exfreund …«
»Das ist doch egal, Haven. Ich meine, ihr hattet vielleicht nicht viele Dates, meiner bescheidenen Meinung nach war da aber genug zwischen euch, und deshalb wird Lance eben ausflippen.« Ich wusste natürlich, dass er Recht hatte.
»Gib mir mal die Nachricht«, verlangte er nun.
Mir war gar nicht klar gewesen, dass ich sie gegen mein Herz gepresst hatte. Ich reichte sie ihm. Er strich sie glatt, überflog sie rasch und sah mich dann an, als suche er nach einer Antwort auf eine Frage, die ich nicht gestellt hatte. Dann riss er mit einer raschen Bewegung den oberen Teil der Nachricht mit meinem Namen ab, und damit auch das H auf der Rückseite. Ich war selbst überrascht, als ich ein Keuchen ausstieß. Aus irgendeinem Grund fühlte sich das an, als hätte mir jemand das Herz herausgerissen.
Dante reichte mir den Fetzen mit meinem Namen. Obwohl die Nachricht jetzt – sowohl wortwörtlich als auch im übertragenen Sinne – weniger Gewicht hatte, war mir natürlich klar, was er damit beabsichtigte: Nun war es nicht mehr nur eine Nachricht für mich. Sie konnte jetzt für jeden von uns, tatsächlich sogar für uns alle bestimmt sein. Dass die Botschaft jetzt nicht mehr an mich gerichtet war, veränderte sogar ihren Tonfall. Jetzt klang sie noch bedrohlicher.
»›Hey guck mal, ich hab diesen Zettel gefunden!‹«, rezitierte Dante in übertriebenem, roboterhaftem Tonfall, wie ein schlechter Schauspieler, der seinen Text ablas. »Das ist ja wirklich unheimlich! Guck mal. Was meinst du, was soll das wohl bedeuten?« Dann kehrte er zu seiner normalen Stimme zurück: »Den gebe ich dann Lance und erkläre ihm, dass ich ihn dir zuerst gezeigt habe, und weil du Lucians Handschrift kennst, ist es ja nur logisch, dass du den Absender identifizieren konntest. Das machen wir heute Abend, wenn wir zurückkommen.«
Als wir später Gelegenheit hatten, mit Lance darüber zu sprechen, machten wir es genau so, wie wir es geprobt hatten, obwohl ich ein schlechtes Gewissen hatte. Lance nahm Dante das Papier ab und starrte lange darauf, während er sich mit der Hand durch das wuschelige dunkle Haar fuhr. Endlich gab er es ihm mit abwesendem
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