Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
der wir uns durch Gruppen von Kneipengängern schoben, bei denen es um diese Tageszeit noch ganz gesittet zuging. Bald würden die wilderen Abendgäste hier einfallen und ihren Platz auf den Barhockern und den Tanzflächen längs der Partymeile einnehmen.
»Du wirst mir noch danken – Clio hat mir von diesem total tollen Laden erzählt.«
»Clio?«
»Diese Blonde. Du weißt schon, die aus der Kneipe letztens? Die, die da getanzt hat? Sie heißt Clio. Komm, hier lang.« Wir bogen jetzt in eine engere, ruhigere Straße ab.
Plötzlich wurde mir kalt, aber das hatte nicht nur etwas mit der frischen Abendluft zu tun. »Was meinst du? Hast du etwa mit ihr gesprochen?«
»Und ob!« Jetzt strahlte Sabine vor Stolz. »Die ist fantastisch. Also, sie hat mir auf jeden Fall verraten, wo sie so einkauft. Gleich da hinten. Das liegt wohl ein bisschen abseits, hinten in einem Innenhof oder so. Allein hätte ich das ja nie gefunden. Warte mal, welche Straße ist das?« Sie hielt nach einem Schild Ausschau.
»Dauphine?«
»Okay, dann noch eine weiter. Das müsste gleich hier sein.« Sie zeigte ans Ende des Blocks.
»Also, wo hast du denn …«
»Weißt du, das ist so eine Boutique, in der sie Vintage und Secondhand mit neuen Sachen mischen, aber nicht so Zeug, das man überall findet, sondern ganz individuelle Stücke. Du wirst Augen machen!«
»Hm, das ist ja toll, aber wo hast du die denn kennengelernt? Also, Clio?« Es gefiel mir gar nicht, dass sie jetzt einen Namen hatte. Damit waren wir viel zu nah dran. Ich traute dieser Frau nicht.
»Das war letztens zusammen mit Emma«, erklärte Sabine. »Wir waren nochmal in dieser Bar.«
»Wie seid ihr denn da reingekommen?«
»Glaub mir, so schwierig ist das nicht.«
»Gut zu wissen. Und ihr habt also einfach angefangen, euch mit ihr zu unterhalten?«
»Ja, irgendwie so.« Sie zuckte mit den Achseln. »Oh mein Gott, da ist es ja!« Wir blieben vor einem unglaublich engen Gässchen zwischen zwei Backsteingebäuden stehen. Auf beiden Seiten des Durchgangs wurden Souvenirs zum Verkauf angeboten, verschiedene T-Shirts, Magneten und Schnapsgläser, gerahmte Fotos und mit der bourbonischen Lilie versehene Objekte aller Art.
»Hier?«
»Komm mit!« Sie nahm mich bei der Hand und führte mich durch den langen Gang. Wir konnten uns kaum an den Einkäufern vorbeischieben, ohne ihnen ungemütlich nahe zu kommen. Aber irgendwann endete dieser klaustrophobische Tunnel an einem Innenhof, in dem versteckt zwei Boutiquen lagen. Sabine hielt nur für den Bruchteil einer Sekunde inne und zerrte mich dann zum Laden auf der linken Seite mit. Vor der offenen Tür trug eine kopflose Schaufensterpuppe ein pinkfarbenes Etuikleid aus den Sechzigern. »Fantastisch!«, rief Sabine aus, als wir das Lädchen betraten.
Im Inneren drängten sich viel mehr Ständer mit Kleidern, als ich auf so engem Raum je erwartet hätte. Sabine ließ mich los und schob sich durch die Gänge. Die Hände hatte sie nach rechts und links ausgestreckt und fuhr damit im Vorübergehen die Klamotten entlang. Ich blieb ihr dicht auf den Fersen und verharrte nur hier und da kurz, um die vielen Rüschentops und Röcke und perfekt geschnittenen Designerjeans zu bewundern. Sabine arbeitete sich bis ganz nach hinten vor und blieb dann vor trägerlosen Kleidchen mit verschiedenen Mustern in allen Farben des Regenbogens stehen.
»Oh ja«, hauchte sie ihnen zu. Sie fuhr mit der Hand über die Stoffe, versetzte Bügel in Bewegung und zog dann ein paar davon hervor. Sie reichte mir drei Kleider.
»Okay, danke. Süß.«
Sie packte selbst einen Arm voll und deutete auf eine Wand. »Und die brauchen wir auch.« Als würde sie von einer unsichtbaren Kraft dorthin getrieben, eilte sie auf die Schuhabteilung zu und blieb vor dem Regal mit Cowboystiefeln stehen. »Hier.« Sie reichte mir ein butterweiches Paar in Beige und griff dann selbst nach einem in Schwarz. Das alles spielte sich ohne jeglichen Blickkontakt ab. Ich musste zugeben, dass ich von ihrer völligen Konzentration beeindruckt war. Wenn es mir gelingen würde, auf diese Art alles andere auszublenden, könnte ich vermutlich alles im Leben schaffen.
Wir zogen uns in nebeneinanderliegende Umkleidekabinen zurück, und jetzt schaute ich mir erst einmal an, was Sabine da für mich ausgesucht hatte: drei schenkellange trägerlose Kleidchen, die durch den taillierten Schnitt eine Art Bustier-Effekt hatten. Eins der Kleider war schwarz, das blaue hatte eins von diesen
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