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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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sich. Ich fragte mich, wie es wohl für sie sein musste, hier die Boote und Schiffe zu betrachten, nach allem, was sie durchgemacht hatte. Jetzt verstand ich auch, was im Sumpf passiert war – warum sie so komplett dichtgemacht hatte.
    »Und das war’s?«, fragte ich schließlich. »Die waren einfach weg?«
    »Das war’s.« Sie verstummte und sah mich dann an. »Lass uns lieber zurückgehen«, schlug sie mit flehentlichem Blick vor. Die Uferpromenade war menschenleer, und der Himmel schimmerte in dunklem Blau, das langsam in Nachtschwarz überging. »Und könnten wir vielleicht über was anderes reden? Zumindest für eine Weile?«
    »Deine Pläne für heute Abend machen mir Sorgen«, platzte es jetzt aus mir heraus. »Dieser Typ ist mir nicht geheuer; etwas Ähnliches ist mir nämlich auch pas…«
    Sie hielt eine Hand hoch. »Also bitte«, fuhr sie mich an, so dass ich zusammenzuckte. Dann bat sie mich beherrschter, aber mit derselben Entschlossenheit: »Später, okay?«
    »Natürlich«, sagte ich leise und respektvoll. Sie hatte wieder komplett zugemacht. Ich würde es bei anderer Gelegenheit noch einmal versuchen.
    Wir suchten unsere Sachen zusammen und kehrten dann schweigend in die gemütliche Vertrautheit der geschäftigen Straßen zurück.
    Wir hatten bereits die Hälfte des Heimwegs zurückgelegt, ohne dass eine von uns ein Wort gesprochen hätte. Aber schließlich wurde Sabine langsamer und blieb dann stehen. Ich tat es ihr gleich.
    »Hav?« Sie sah mich an und spielte scheinbar verlegen am Henkel ihrer Plastiktüte herum.
    »Ja?«
    »Es tut mir leid. Weißt du, es geht mir einfach an die Nieren, an diesen ganzen Kram zu denken, okay?«
    »Klar, ich meine, es ist ja auch hart. Glaub mir, ich verstehe das.« Einen Moment sah ich ihr in die Augen, aber sie wandte rasch den Blick ab.
    »Ich war nach dieser Geschichte ziemlich durch den Wind.«
    »Ich auch, wir alle drei. Eigentlich bin ich es immer noch. Ich will ja nicht für die Jungs sprechen, aber … na ja, ich denke, denen geht es genauso.« Das schien sie zu trösten, und sie entspannte sich ein bisschen. »Und falls dir das weiterhilft, auf mich wirkst du so, als würdest du es ziemlich gut wegstecken.«
    »Tu ich aber nicht.«
    »Dann täuschst du es aber ziemlich überzeugend vor. Ich kann das einfach nicht.« Es stimmte – mal abgesehen von dem Ausflug in die Sümpfe wirkte sie bei weitem nicht so gequält und aufgewühlt, wie ich mich tagtäglich fühlte.
    »Nein, es geht mir wie dir. Ich glaube, du bist mir sehr ähnlich. Also, meinem wahren Ich.« Ich wusste nicht so genau, was sie damit meinte. Ich kannte Sabine einfach nicht gut genug, um zu wissen, welche Seite an ihr jetzt ihr wahres Ich war. Aber bisher hatte ich eigentlich nicht den Eindruck gehabt, dass wir vieles gemeinsam hatten. Wenn es doch nur so wäre. Manche Aspekte ihrer Persönlichkeit machten mich richtig neidisch. Sie hatte diese Leichtigkeit, nach der ich mich so sehr sehnte. Und viel mehr Selbstbewusstsein. Bei mir hatte sich in dieser Hinsicht einiges getan, aber das hieß nicht viel. Ich hatte noch einiges zu lernen.
    Jetzt wurde ihre Stimme heiterer. »Aber vergiss das alles jetzt mal.« Sie atmete tief durch. »Wir müssen wirklich die Stimmung ein bisschen ankurbeln, ich muss mich doch auf mein Date vorbereiten. Also, jetzt zu was Erfreulicherem: Lass uns überlegen, welches Kleid ich am besten anziehe.« Und damit war ihr Schritt auf einmal wieder beschwingt, ihr ganzes Wesen verwandelte sich in etwas Locker-Leichtes, ihre Haltung und Ausstrahlung entsprachen jetzt der der fröhlichen Nachtschwärmer, die inzwischen in jede Kneipe, jedes Restaurant auf unserem Weg strömten. Mit einem Mal hatte sich die dunkle Wolke, die in der letzten Stunde über uns gehangen hatte, offiziell voll und ganz verzogen.
    Unser Zimmer sah aus, als wären dort die Vandalen eingefallen: Zwei der neuen Kleider, eine Strickjacke und zwei Schultertücher häuften sich auf Sabines Bett, auf dem Fußboden waren Schuhe in allen Farben und jeder nur erdenklichen Absatzhöhe verstreut, manche partnerlos und verwaist, und unseren Tisch zierten Lippenstifte, drei verschiedene Lidschatten und alle möglichen Pinselchen. Ein noch immer eingestöpselter Lockenstab lag auf dem Boden und verströmte einen Geruch nach Verbranntem. Aus Sabines Lautsprechern dröhnte eine Mischung aus Pop und Hip-Hop, ihr »Ausgehmix«, wie sie es nannte.
    »Irgendwie bin ich mir mit diesem Lippenstift nicht sicher«,

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