Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
dass ich ihr zunächst etwas anbieten musste, wenn ich von ihr etwas hören wollte. »Wir haben in diesem Hotel gewohnt, zusammen mit all diesen Leuten, die so unglaublich toll waren und uns ein fantastisches Leben, die Erfüllung all unserer Träume versprochen haben, um uns zu ködern.« Sie sah mich ausdruckslos an, aber mir war klar, dass sie aufmerksam zuhörte. »Und sie hatten auch, na ja, du weißt schon, Mittel und Wege, uns mit Gift und solchen Sachen zu manipulieren. Klingt so, als ob es dir auch so ergangen wäre.« Sie nickte. Schweigend ließ ich lange Sekunden verstreichen, bevor ich fortfuhr: »Lance und ich haben das zum Glück schnell genug begriffen und haben Mittel und Wege gefunden, das alles zu umgehen. Aber Dante steckte wirklich mittendrin, bei ihm war es ziemlich heftig.« Ich versuchte, mich so vage wie möglich auszudrücken, weil ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich das alles überhaupt vor ihr preisgeben wollte. Aber ein Teil von mir spürte, dass ich ihr das einfach erzählen musste, um unser beider willen. »Es war unheimlich knapp.«
»Bei uns war es mehr als knapp«, sagte Sabine schließlich.
Ich schwieg und gab ihr die Möglichkeit, die Stille mit ihren Worten auszufüllen. Sie ließ sich Zeit und fügte schließlich hinzu: »Wir haben im Hafen gearbeitet – auf einem von diesen Touristenbooten, die bei Cape Cod hin und her fahren. Ich bin am Wasser aufgewachsen, bin von klein auf mit meiner Familie gesegelt und Boot gefahren, ich kam also perfekt zurecht. Manchmal gab es an Bord Veranstaltungen. Die Route hatte ein paar Zwischenstopps, es gab Essen und ein Unterhaltungsprogramm. Wir verbrachten die meiste Zeit auf dem Schiff und übernachteten manchmal am Cape, oder in Princetown oder Newport.«
»Das hat bestimmt Spaß gemacht, zumindest am Anfang, bevor euch klar wurde …«
»Ja, dass wir hinter den Seelen der Menschen her waren, die zu uns an Bord kamen. Sie haben den Leuten alle möglichen Versprechungen gemacht. Uns auch. Zuerst haben sie uns vergiftet; sie hofften, uns damit gleich so weit zu bringen, dass wir allem zustimmen, aber stattdessen wurden wir krank. Ich dachte wirklich, wir würden sterben – wären wir wahrscheinlich auch, aber du weißt schon, wir sind schließlich nicht wie andere Menschen …« Langsam verstummte sie. »Dann ging es uns nach und nach wieder besser. Und schließlich erzählte uns der Typ, der da das Sagen hatte, dass all unsere Träume wahr werden würden und wir über große Macht verfügen könnten, wenn wir nur bereit waren, einen relativ geringen Preis dafür zu zahlen.«
»Und wie habt ihr rausgefunden, was ihr wirklich seid?«
»Er hat uns erklärt, dass er uns eben deshalb wollte, mehr als die anderen, deren Seelen geraubt wurden. Wir kamen uns so wichtig vor. Zuerst haben wir ihm gar nicht geglaubt, aber dann ist so einiges passiert.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte sie sich vor den Erinnerungen schützen, die sie da losgetreten hatte.
»Zum Beispiel?«
»Da war diese junge Frau, die uns gewarnt hat. Sie hat uns erklärt, warum wir diese Narben haben. Sie gehörte zwar zu ihnen, fing aber langsam an, sich von ihnen zu distanzieren. Sie mahnte uns, stark zu bleiben und zu widerstehen. Einen Tag später war sie plötzlich verschwunden. Einige von ihren Sachen wurden am Ufer angespült, sie selbst hat man aber nicht gefunden.« Sabine sprach langsam, wie in Trance, und starrte zum Fluss hinüber. »Sie hatten uns diese Verträge gegeben, die wir unterschreiben sollten, aber wir zerrissen sie und versteckten sie in unseren Zimmern und flohen dann eines Nachts. Wir sprangen einfach ins Wasser und schwammen davon. Ich war noch nie eine gute Schwimmerin, aber irgendwie schaffte ich es trotzdem, in völliger Dunkelheit Meile um Meile zurückzulegen, das ging ganz gut. Ich war wirklich stolz auf mich. Weißt du, irgendwie fühlte ich mich unbesiegbar. Aber er hat es nicht geschafft. Ich weiß nicht einmal, wann oder wie sie ihn gekriegt haben, nur, dass ich ihn irgendwann nicht mehr gehört habe. Er war einfach weg.«
Ich hätte sie so gern unterbrochen, um nach ihm zu fragen, ließ sie aber weiterreden.
»Also bin ich nach Hause gegangen. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen würde, aber es stellte sich heraus, dass ich mir gar keine Geschichte auszudenken brauchte. Als ich am nächsten Tag heimkam, machte die Nachricht von einem gesunkenen Schiff die Runde. Das waren sie.« Sabine schüttelte
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