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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Fahrrad haben.«
    Ich schluckte. »Aber dann müsste sie nicht mehr überallhin mit dem Bus fahren. Und Bewegung ist doch gesund!«
    Mein Vater lächelte ungeduldig. »Schon richtig gedacht, Jasmin. Aber man kann nur Geld ausgeben, das man hat. Clara hat eine Großmutter, die ein Haus besitzt und einen Beruf ausübt, über den sie, so fürchte ich, uns alle im Unklaren lässt. Mag ja sein, dass sie für Medikamente aus der Schulmedizin kein Geld bezahlen möchte. Aber unter dieser Bedingung sehe ich es nicht ein, dass wir Claras Aufenthalt in Bogotá finanzieren. Jedenfalls nicht in dem Maße, wie es dir vorzuschweben scheint.«
    »Wir können sie doch jetzt nicht einfach fallen lassen!«
    »Davon redet auch keiner!«, griff meine Mutter in dem Ton ein, der vermittelnd und beruhigend klingen sollte, mich aber erst richtig auf die Palme brachte. Ich dachte an all das, was ich Clara versprochen hatte, Bücher, das Fahrrad, eine Reise ans Meer.
    »Dann darf ich sie wohl auch nicht mehr zu uns zum Essen einladen«, stellte ich fest.
    »Darum geht es nicht, Jasmin«, sagte mein Vater. »Clara ist uns jederzeit willkommen. Doch wir können nicht ihren Lebensunterhalt übernehmen.«
    »Aber wir haben so viel mehr als sie!«, rief ich aufgebracht. »Wir haben doch das Geld!«
    »Wir schon, Jasmin, aber du nicht. Deine Mutter und ich, wir arbeiten hart für unser Geld. Und wir haben hart dafür gearbeitet, dass wir so weit gekommen sind. Wir haben studiert ...«
    »Wie hätte Clara studieren sollen? Wo denn? Außerdem wollte ihr Onkel das nicht. Sie hatte nicht die Chance und wird nie die haben, die ihr hattet!«
    »Auch das stimmt«, antwortete Papa. »Aber du hast ja gehört, Leandro kommt auch vom Land. Er war arm wie eine Kirchenmaus. Doch er hat es auch geschafft. Wenn man will, kann man alles schaffen. Aber man muss Eigeninitiative ergreifen und sich Ziele setzen.«
    »Leandro?« Ich schnappte nach Luft. »Dieser Verbrecher ... Außerdem ist er ein Mann!«
    »Stopp, Jasmin. Ehe du andere verurteilst, überleg lieber, was du tust. Du willst Clara mit einem Luxus überschütten, auf den sie nicht vorbereitet ist und auf den sie wieder verzichten muss, wenn sie zu ihrer Familie zurückkehrt.«
    »Sie wird nicht mehr zurückgehen. Eher stirbt sie!«
    »So?« Mein Vater zog die Brauen hoch. »Na gut. Dann wird sie aber lernen müssen, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.«
    »Und wie? Sie kann nicht studieren.«
    »Man muss nicht studieren, um Geld verdienen zu können.«
    In mir explodierte etwas. So also war das! »Dann muss ich ja auch nicht studieren!«, sagte ich.
    »Nun schütte mal nicht gleich das Kind mit dem Bade aus«, sagte meine Mutter. »Wir wollen doch nur, dass du verstehst, weshalb wir nicht einfach die Verantwortung für Claras Zukunft übernehmen können.«
    »Warum denn nicht?« Ich rastete aus. »Dass ihr es nur wisst, sie ist meine Freundin. Sie ist wie eine Schwester für mich! Und ich fühle mich durchaus für sie verantwortlich. Ich kann mich nicht achselzuckend abwenden und sagen: Sieh zu, wo du bleibst.«
    »Es ist schön, dass du Verantwortung für sie empfindest«, antwortete meine Mutter. »Aber wenn du meinst, Clara müsse unbedingt ein Fahrrad haben oder einen Englischkurs besuchen, dann musst du dir eben überlegen, wie und wo du die finanziellen Mittel dafür herbekommst.«
    »Ich verstehe. Ein bisschen Gott in Weiß spielen und ein Leben retten, das könnt ihr, sobald es euch jedoch euer eigenes Geld kostet, ist es aus mit dem sozialen Gewissen!«
    »Du weißt ganz genau, wie ich das meine!«, sagte meine Mutter mit angelegtem Kinn. »Und du solltest dir vielleicht auch einmal überlegen, warum du dich so für Clara engagierst. Könnte es sein, dass du es nur tust, weil sie die Schwester von diesem ... diesem Indio ist, in den du dich ...«
    »Damián!«, schrie ich. »Er heißt Damián, Mama. Er hat einen Namen!«
    »Weil du dich in diesen Damián verguckt hast. Ich darf dich daran erinnern, dass du uns versprochen hast, dass du dich nicht heimlich mit ihm triffst.«
    »Ah, so ist das! Ihr glaubt also, ich würde Clara nur benutzen, damit ich Damián sehen kann? Aber da täuscht ihr euch! Zwischen Damián und mir ist es ...« Ich musste schlucken. »... ist es aus. Und es war auch nie was!«
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben, Jasmin. Dein Vater hat mir natürlich erzählt, was auf der Reise vorgefallen ist, und ...«
    Da rastete ich vollends aus. »Was heißt hier

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