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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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hinter dem Haus meckerte und Hühner im Boden scharrten.
    Clara schien von unerschöpflicher Neugierde beseelt. Ich vergaß manchmal sogar, dass sie krank war und nachts immer wieder Asthmaanfälle hatte. Auch taten ihr oft Arme und Beine weh. Doch woran genau sie litt, erfuhr ich nicht. Sie fand entweder nicht die richtigen Worte oder sie dachte nicht in so exakten medizinischen Begriffen wie wir.
    Ich half ihr, den Antrag auf Krankenversicherung zu stellen. Nach einem Besuch des Sozialdiensts in Juanitas Hexenhaus im Wald wurde Clara auf Niveau 1 eingestuft, also mit fünf Prozent Eigenbeteiligung. Ich war bei dem Besuch nicht dabei, aber Clara erzählte mir, dass die beiden Sozialdienstler auf der Suche nach versteckten Reichtümern alles umgedreht hätten, weil Mama Lula Juanita als Wunderheilerin galt und einen Ruf bis hinauf in höhere Kreise hatte. Und die ließen sich ihre Dienste sicherlich was kosten. Doch Juanita hatte ihnen schließlich glaubhaft versichern können, dass sie nur Kräuter und Tees verkaufe und Ratschläge kostenlos erteile. Das Gegenteil konnte der Sozialdienst nicht beweisen, auch wenn er versucht hatte, aus den geschnitzten Knochen, die im Haus herumlagen, und den mit Nasa-Masken bemalten Pfosten überall im Garten auf Zauberei, Magie und Heilungszeremonien zu schließen. Aber Juanita hatte erklärt, das seien nur Erinnerungen an ihre Heimat. Das hatte man ihr glauben müssen. Doch auch die fünf Prozent Eigenbeteiligung an den Arztkosten, erläuterte mir Clara, überstiegen die finanziellen Möglichkeiten ihrer Großmutter um ein Vielfaches ihres monatlichen Einkommens.
    »Ich kann das, ehrlich gesagt, nur schwer glauben«, bemerkte mein Vater eines Abends dazu, als wir beim Essen saßen. »Dass sie die teuren Untersuchungen im Krankenhaus nicht zahlen kann, meinetwegen, wir haben einen Fonds für so was, obgleich das San Vicente als privates Krankenhaus gar nicht verpflichtet ist, Patienten aufzunehmen, die keine Krankenversicherung haben. Aber dass Claras Großmutter sich so stur stellt, das gefällt mir nicht.«
    »Es kann doch wirklich sein, dass sie für ihre Heilungszeremonien kein Geld nimmt«, wandte ich ein. »Clara hat mir erzählt, dass es im Cauca Regionen gibt, wo kein Geld in Umlauf ist. Da bezahlt man noch mit Naturalien.«
    »Wir sind in Bogotá, Jasmin!«
    »Aber die Medikamente sind doch sehr teuer ...«
    »So teuer sind sie auch nicht. Clara hat nicht, wie ich erst dachte, Morbus Fabry, sie ...«
    »Was ist das?«, fragte ich dazwischen.
    »Das ist eine Erbkrankheit, und sie ist tödlich, es sei denn, man gibt ein sehr teures Enzym. Aber es hat sich ja nun nicht bestätigt.«
    »Gott sei Dank!«, sagte meine Mutter.
    »Allerdings ist sie auch nicht gesund«, bemerkte mein Vater. »So viel kann ich euch sagen.«
    »Vielleicht ist es ein seelisches Problem«, stellte ich fest.
    »Das wäre sicher gut möglich«, pflichtete mir Mama bei. »Wer weiß, was Clara alles gesehen und erlebt hat. Sie könnte traumatisiert sein.«
    »Ja, ja«, sagte Papa leicht gereizt. »Schön, dass euch das alles so klar ist. Doch dann verstehe ich wirklich nicht, warum ihre phänomenale Großmutter sie nicht heilen konnte. Der Zauber, den die Medizinmänner hier veranstalten, arbeitet hauptsächlich psychisch mit Suggestion. Aber vielleicht ist diese Juanita eben einfach eine Betrügerin.«
    »Sie ist keine Betrügerin!«, widersprach ich heftig. »Wie kannst du so was behaupten?« Ich dachte daran, dass sie mich bei der ersten Begegnung als Jungfrau angesprochen hatte. »Sie hat Fähigkeiten, glaube ich.«
    »Na, wenn sie eine erfolgreiche Heilerin ist«, antwortete mein Vater bissig, »dann leuchtet mir nicht ein, dass sie kein Geld hat. Normalerweise bedanken sich Geheilte in unseren nichtindianischen Kreisen mit Geld.«
    »Immer nur Geld!«, stöhnte ich.
    »Du hast leicht reden, mein Kind! Wenn du erst einmal dein eigenes Geld verdienen musst, wirst du es nicht mehr so großzügig verteilen wie jetzt unser Geld.«
    »Was?« Ich verstand gar nichts. Aber mein Vater hatte sich verändert nach der Reise in die Nebelberge. Er brauste öfter auf. Seine Kommentare waren bissig und hart.
    »Das ist doch ganz einfach«, erklärte er mir. »Wie viel hast du jetzt in zwei Wochen für Clara ausgegeben, für Bücher, Kinobesuche, Essen, Busfahrten?«
    »Aber ...«
    »Auf jeden Fall mehr, als dein Taschengeld beträgt. Mama und ich haben es dir gern gegeben. Doch nun soll Clara auch noch ein

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