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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Demokratie und Gewaltenteilung zwischen Justiz und Politik, wir wollen Pressefreiheit, wir wollen soziale Unterstützung für die Armen, wir wollen, dass mehr Geld für Bildung ausgegeben wird. Wir wollen Entwicklungsprogramme für die ländliche Region. Dann können die Kokabauern etwas anderes anbauen und das Drogenproblem ist gelöst. Die Smaragd- und Goldminen sollen unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Ist das verkehrt, Jasmin? Wollen wir etwas Böses?«
    »Nein. Aber ...« Ich zögerte.
    »Ja?«, fragte Antonio nach. »Nur Mut, bei mir darf jeder seine Meinung sagen.«
    Wenn ich nur so genau gewusst hätte, was ich sagen wollte. »Vielleicht will auch die Regierung nichts Böses. Sie versucht es nur auf andere Weise.«
    »Die Regierung interessiert sich nicht für die armen Leute. Die Politiker wirtschaften nur in ihre eigene Tasche. Sie haben dem Volk viele Milliarden Dollar geraubt und in Privatfirmen gesteckt. Sechzig Prozent der Smaragdminen gehören einem einzigen Mann, Leandro Perea, genannt El Gran Guaquero. Den Namen hast du sicher schon gehört.«
    »Ja.«
    »Er reist immer mit ein oder zwei Hubschraubern. Er wagt sich nicht mehr unters Volk. Er hat Angst. Er ist ein Feigling. Seine Minen werden von Soldaten geschützt, Soldaten der Regierung und einer Privatarmee. Sie haben starke Waffen. Wir haben keine Chance, die Minen fürs Volk zurückzuerobern.«
    Mir klopfte das Herz bis zum Hals. Ich fühlte Antonios Blick auf mir ruhen und hoffte inständig, dass es viel zu dunkel war, als dass er mir irgendwas ansehen konnte. Womöglich wusste er längst, wen er hinten auf dem Lastwagen hatte, und amüsierte sich darüber, dass wir glaubten, wir könnten ihn täuschen. Das Gesicht eines Mannes, dessen Name im Land so bekannt war wie der von Leandro Perea, war vermutlich ebenso bekannt. Wahrscheinlich hatte Antonio den Großen Schatzsucher sofort erkannt. Oder war es zu dunkel gewesen, um ihn zu erkennen? Elena hatte mir mal erzählt, dass ihr Vater sich nicht gern in der Öffentlichkeit zeigte und keine Fernsehinterviews gab.
    Ich überlegte hin und her, während wir den Kurven der Straße folgten. Immer wieder sah ich Popayán unten vor uns glitzern. Solange wir nicht auf einen der unbefestigten, steinigen und schlammigen Wege ins Gebirge abbogen, waren wir einigermaßen in Sicherheit, dachte ich. Und wie es aussah, fuhren wir tatsächlich ins Pubenza-Tal hinab.

de

– 13 –
     
    E s war nachts um eins, als wir am Stadtrand in den Innenhof einer Herberge fuhren. Antonio ließ uns aussteigen und Papas Arztkoffer in das Haus tragen. Die Zimmer, die uns eine Alte zeigte, waren bessere Bretterverschläge. Papa und Leandro bekamen eines zugewiesen, Elena und ich ein anderes.
    Er werde uns morgen mit dem Auto abholen, sagte Antonio, und in die Stadt zu unserem Treffpunkt bringen. Der Laster mit der Plane fuhr röhrend wieder vom Hof.
    »Hier gibt es sicher Kakerlaken und Flöhe«, stellte Elena fest, als sie Laken und Decke des einfachen Betts zurückschlug. »Und frisch ist die Bettwäsche auch nicht. Papa, wir brauchen frische Bettwäsche, sonst schlafe ich hier nicht.«
    »Wir schlafen hier überhaupt nicht«, antwortete Leandro. »Antonio und seine Leute dürfen uns hier morgen früh nicht mehr antreffen. Sonst fliegt alles auf.«
    Er wies uns an, im Zimmer zu warten, und begab sich, während Papa, Elena und ich auf den verwanzten Betten saßen und warteten, die Treppe hinunter. Nach zehn Minuten kam er zurück und berichtete mit finsterer Miene: »Draußen stehen fünf Bewaffnete. Sie wollten mich nicht auf die Straße lassen. Ich habe ihnen gesagt, das Hotel gefällt uns nicht, wir wollen ein anderes, aber sie sagten, das gehe nicht, sie dürften uns nicht auf die Straße lassen, das sei zu gefährlich für uns.«
    »Und was bedeutet das?«, fragte mein Vater.
    Leandro zuckte mit den Schultern. »Sieht so aus, als säßen wir hier fest. Wir sind Gefangene.«
    Er hatte auch geschaut, ob man irgendwie heimlich aus der Herberge hinauskam, hintenherum, aber das war riskant. Um von dem Haus fortzukommen, hatten wir nur die Straße, und dort konnten uns jederzeit die Leute von Antonio entdecken. Zu Fuß waren wir langsam.
    »Und wenn wir die Polizei rufen?«, schlug mein Vater vor. »Hier gibt es doch sicher ein Telefon.«
    »Das habe ich auch schon erwogen, aber das Telefon steht in der Rezeption, und da hört jeder mit, auch unsere bewaffneten Bewacher.«
    »Und was haben die mit uns vor?«, fragte

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