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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Aber er war, so dämmerte es ihr jetzt, noch lange nicht fertig mit ihr.
    Emma fasste sich an den Kopf. Ihr war schwindelig. So viele Zeichen, und sie hatte sie einfach ignoriert. Waren es die Geister gewesen oder ihre eigenen Erinnerungen an Oskar, die ihr den richtigen Weg hatten weisen wollen? Ganz gleich, wer oder was es gewesen war: Es hatte um Aufmerksamkeit gebettelt, hatte sie wachzurütteln versucht. Aber sie, Emma, hatte Verstand und Herz verschlossen.
    Weil sie ihrem Peiniger ums Verrecken nicht nochmals begegnen wollte.
    Seine Hände unter ihrem Rock, die Finger brutal in sie hineinstoßend. Sie ist vollkommen hilflos, hat ihm nichts entgegenzusetzen, will ihre Seele fortschicken, in den Wind, fort aus diesem Zimmer, in dem Oskar sie beschmutzt …
    Zitternd ließ Emma sich zu Boden sinken. Sie überhörte Gunurs besorgte Ausrufe, wehrte Johns Hilfe ab, war gefangen in ihrem Alptraum, der plötzlich wieder Wirklichkeit geworden war, ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie konnte es nicht vergessen, würde es nie vergessen, genauso wenig wie er, der sie noch immer abgrundtief hasste, sie und Carl. Es war nicht vorbei, im Gegenteil, alles stand ihr noch bevor, und wenn sie diesmal versagte, würde Oskar es zu Ende bringen, würde es so oft wiederholen, bis er sie gebrochen hatte und sie sich selbst verloren gab. Er würde ihr die Seele herausreißen und sie als lebenden Leichnam zurücklassen.
    Seelenraub. Seelenraub. Wie konnte ich nur je daran zweifeln, dass es ihn gibt?
    »Mit Oskar Crusius hat alles begonnen«, hörte sie Birwains krächzende Stimme. »Und bei ihm wird es enden, ob uns das gefällt oder nicht. Bist du immer noch bereit, deine Aufgabe zu erfüllen, Emma? Jetzt, wo du weißt, wer dein Gegner ist?«
    So blind . Ich war so blind und so verflucht feige.
    Der nächste Gedanke jagte heran.
    Vielleicht lebt er noch. Carl.
    Das Blut gefror ihr in den Adern. Wenn Carl noch lebte, dann war er seit Monaten in Oskars Gewalt, Tag und Nacht seiner Willkür und Grausamkeit ausgeliefert.
    Die Eisenstange, Carl zwischen Leben und Tod, seine Angst, dass ich zu ihm komme, in Oskars Falle, Blut und Tod und nie endende Qual. Ist es zu spät?
    Emma presste die geballten Fäuste auf den Mund, um nicht laut zu schreien. Mühsam rang sie um Fassung, kämpfte darum zu atmen, zu denken, klar zu sehen. Verdammt, sie durfte es sich nicht leisten, schwach zu sein! Nicht, wenn Carl noch lebte und sie ihn retten konnte.
    Langsam ließ sie die Fäuste sinken. Sie rappelte sich auf, bis sie blass, aber entschlossen vor John und den Schwarzen stand.
    »Beschreib mir, wo diese Schafzucht sich befindet, John. Gunur, du nimmst Belle, während ich weg bin. Pass gut auf sie auf, hörst du?«
    Ihre Stimme hörte sich barsch und fremd an, doch vor allem entschlossen, als sie sagte: »Ich breche noch in dieser Stunde auf.«

8
    S o ein Unfug«, hörte Emma John in der Dunkelheit schimpfen. »Freiwillig zu diesem widerlichen Lustmolch zu reiten, obwohl nichts, absolut gar nichts dafür spricht, dass er sich in den letzten Monaten um etwas anderes gekümmert hat als um seine dämlichen Schafe. Ein geheimnisvolles Zeichen aus den Bäumen. Aus den Bäumen! Du liebe Güte! Was kommt als Nächstes? Irgendwo zwitschert ein Vogel, und das war dann der Luftgeist? Und wo befiehlt der uns dann hin? Nach Timbuktu? Dieser Crusius, der alte Verbrecher, soll ganz einfach bleiben, wo der Pfeffer wächst, und wir, wir sollten endlich zurückkehren zu netten, zivilisierten Menschen, die noch einen Funken gesunden Menschenverstand in ihren Köpfen haben. In ein anständiges Städtchen, wo …«
    »John«, unterbrach Emma ihn entnervt. »Wenn du nicht sofort still bist, stoße ich dich mit Sirius in den nächsten Tümpel. Du wolltest mitkommen, also beschwer dich nicht!«
    »Ich wollte nicht mitkommen«, verbesserte John sie bissig. »Ich musste . Schließlich hast du dich nicht von diesem irrsinnigen Abenteuer abbringen lassen. Und wo du hinreitest, da muss gezwungenermaßen auch ich hinreiten. Zumindest so lange, bis du mir offiziell einen Korb gibst.«
    Obwohl ihr nicht danach zumute war, musste Emma lächeln. »Hartnäckig bist du ja, das muss man dir lassen.«
    »Fragt sich nur, ob diese Eigenschaft zu meinem Besten ist«, knurrte John. »Außerdem kannst du mich gar nicht in den Tümpel stoßen, denn damit würdest du auch Birwain bestrafen, schließlich sitzt der hinter mir. Und dann kämen sofort irgendwelche Geister, die dich wegen

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