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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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antun?« John war fassungslos.
    Ungeduldig hob Emma die Hände. »Das alles ist Vergangenheit. Es ist vorbei, ich denke gar nicht mehr daran.«
    Jedenfalls versuche ich es.
    »Wir haben ganz andere Probleme, denen wir uns widmen sollten. Wir müssen einen D’anba finden, schon vergessen?«
    »Oskar ist der D’anba!«, rief Birwain.
    Emma riss der Geduldsfaden. »Herrgott, Oskar lebt in Deutschland! Dort gibt es keine D’anba, noch weniger als hier. Wahrscheinlich hat Oskar geheiratet und ein feistes Baby bekommen, und während wir über ihn palavern, sitzt er neben seiner braven, Kinderhemdchen nähenden Frau in der guten Stube und …«
    Tonlos sagte John: »Oskar Crusius lebt nicht in Deutschland.«
    Mit offenem Mund starrte Emma ihn an.
    »Er hat Australien nie verlassen. Bei allen Teufeln, Emma, wenn ich gewusst hätte, dass dieses Schwein versucht hat, dir Gewalt anzutun, dann hätte ich …«
    »Was erzählst du denn da?«, unterbrach Emma ihn gepresst. »Natürlich hat Oskar Australien verlassen! Er steht nicht mehr in Godeffroys Diensten, das haben die Herren der Kolonialregierung Carl und mir höchstpersönlich erzählt! Schon vor über einem Jahr, als wir ihnen in Sydney unser Forschungsprojekt vorgestellt haben.«
    »Er arbeitet nicht mehr als Forscher, das ist richtig. Aber er lebt immer noch auf dem Kontinent. Sogar ganz in unserer Nähe.«
    Emma hatte plötzlich den Eindruck, dass jemand ihr den Boden unter den Füßen wegzog. »Woher willst du das wissen?«
    »Weil ich ihn auf einer meiner Reisen kennengelernt habe. In Warwick, auf einem Ball. Ich hatte ja keine Ahnung, Emma, meine Güte, wenn ich gewusst hätte …«
    »John! Wie hast du ihn kennengelernt? Bist du sicher, dass er es war?«
    Johns Kiefer mahlten. Er atmete tief durch, dann sagte er: »Also gut. Wir kamen auf diesem Ball ins Gespräch. Crusius ist einer der größten Farmer der Gegend, und ich zähle bekanntermaßen zur besseren Gesellschaft, da war es unvermeidlich, dass man uns einander vorstellte. Nun, Crusius war äußerst redselig, fast prahlerisch. Er erzählte mir, dass er als Forscher gearbeitet, dann aber alles hingeschmissen habe, weil es ihm zu langweilig geworden sei. Er habe es vorgezogen, reich zu heiraten, und versuche sich nun als Schafzüchter. Na ja, dachte ich damals, den Wunsch nach Abwechslung kann ich nachvollziehen, und wenn der Mann mit einer Schafzucht glücklicher ist als beim Pflanzensammeln, warum nicht?«
    Oskar hatte eine Schafzucht.
    Bei Warwick, wo sie gerade erst gewesen waren.
    Das war ein böser Traum. Es konnte nicht wahr sein.
    Emma hörte Birwain vorwurfsvoll fragen: »Wie konntest du uns das bloß verschweigen?«
    »Ich wusste doch nicht, dass es irgendeine Bedeutung hat!«, entgegnete John erregt. »Als ich mich auf meinen Auftrag hier vorbereitet und in Emmas Akte gelesen habe, dass ebenjener Oskar Crusius sie nach Australien geholt hatte, dachte ich bloß, na, den kennst du doch. Und dann habe ich das Ganze wieder vergessen, weil es mir nicht wichtig erschien. Emma hat nie gerne über ihre Vergangenheit gesprochen, also warum hätte ich sie dazu zwingen sollen? Die Vergangenheit, das war ihr Mann, und der war verschwunden. Weshalb in der Wunde stochern, indem man alte Zeiten heraufbeschwört?«
    »Oskar lebt in Australien …«, flüsterte Emma.
    Erkenntnisse und Erinnerungen fegten über sie hinweg und raubten ihr den Atem. Sie war so blind gewesen!
    Das Fest, nachdem beschlossen worden war, dass Belle leben durfte – auf diesem Fest hatte sie es bereits geahnt. Aber sie hatte nichts davon wissen wollen. Das verlassene Forschungslager, in dem Oskars Schatten sie immer wieder bedrängt hatte. Ihr Gefühl, dass er ganz nahe war, obwohl der Verstand ihr sagte, dass er in Deutschland weilte.
    Alles Hinweise darauf, dass nichts, gar nichts vorbei war, auch wenn sie sich das beharrlich hatte einreden wollen.
    Wie hatte sie nur glauben können, dass er sich jemals geschlagen geben würde? Oskar war besessen gewesen von seiner Angst, ein Nichts zu sein und auf ewig ein Nichts bleiben zu müssen. Solange sie ihn kannte, hatte Oskar Crusius sich als Zweiter gefühlt. Immer hatte er im Schatten Carls, des Forschungsleiters, gestanden, und das hatte er Carl nicht verzeihen können. Carl war der begabte Wissenschaftler aus gutem Hause gewesen, während Oskar sich aus kleinen Verhältnissen hatte hocharbeiten müssen, ohne es je an die Spitze zu schaffen.
    Jetzt war er verheiratet und wohlhabend.

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