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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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über den vernachlässigten Platz.
    Und da bemerkte sie, dass sie wieder etwas spürte. Die Todessehnsucht und Kälte, die sie vorhin umfangen hatten, waren verschwunden und hatten etwas anderem Platz gemacht.
    Kampfgeist!, erkannte sie verwundert. Die seltsamen Stimmen haben mir Kampfgeist verliehen.
    Offensichtlich war die Amazone in ihr doch noch nicht gestorben.
    John Roberts trat an den Tisch, und Emma zuckte wenig amazonenhaft zusammen, als sie ihn bemerkte.
    »Der Tee ist gleich fertig«, sagte er, legte den Kopf schräg und musterte sie. »Ah, ich sehe, es geht Ihnen besser. Das ist gut! Sie haben wieder ein wenig Farbe im Gesicht.«
    Emma nickte. Sie suchte nach den passenden Worten, aber es fielen ihr keine ein. Was sollte sie diesem Fremden auch sagen? Dass die Geister des Regenwaldes die Kriegerin in Emma auferweckt hatten? Beim Gedanken daran, wie Mr Roberts sie dann wohl ansehen würde, musste sie lächeln.
    Obwohl dieses Lächeln ziemlich schief ausfiel, schien es John Roberts als Antwort zu genügen. Er stellte zwei Tassen auf den Tisch, zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber.
    »Trinken Sie Ihren Tee, Mrs Scheerer«, sagte er erleichtert. »Und wenn es Ihnen dann besser geht, unterhalten wir uns.«

7
    E mma saß mit Purlimil vor dem Zelt, drinnen schliefen die Babys. Über ihnen blinkten einzelne Sterne durch das dunkle Blätterdach.
    Gerade hatte Emma der Freundin erzählt, was Mr Roberts ihr auseinandergesetzt hatte: dass er einige Wochen Zeit habe, ihre Arbeit in aller Ruhe zu beurteilen. Dass er es durchaus verstehe, wenn sie in der ersten Zeit noch nicht effektiv arbeiten könne. Ihm sei bewusst, dass ihre unsichere Lage und ihr Kummer sich auf ihre Forschungen auswirken müssten, und er sei bereit, ihr mit Nachsicht zu begegnen sowie ihr mit Rat und Tat beiseitezustehen, wenn sie Hilfe benötige.
    »Er ist nett«, sagte Emma, stützte das Kinn auf die Hand und blickte ins Feuer. »Ich glaube zwar nicht, dass er wirklich nachvollziehen kann, wie ich mich fühle. Aber er ist trotzdem sehr … na ja, verständnisvoll.«
    »Warum auch nicht?«, entgegnete Purlimil unbeeindruckt. »Diese Leute sollen dich gefälligst unterstützen. Du arbeitest genug für sie.«
    »Ja.« Emma verzog das Gesicht. »Aber es kann sein, dass es ihnen trotzdem nicht reicht.«
    »Wie meinst du das?«
    Emma überlegte, wie sie der Freundin ihre Schwierigkeiten begreiflich machen konnte. Was die Welt außerhalb des Regenwaldes betraf, war Purlimil nach wie vor völlig unbedarft.
    »Die Herren finanzieren unser Forschungsprojekt, solange sie das Gefühl haben, es lohnt sich. Wenn ich nicht genug Material liefere – Beobachtungen, Schlussfolgerungen, verwertbare Ergebnisse –, dann ziehen sie mich hier ab. Ewig kann Mr Roberts mich nicht davor schützen, so nett er auch sein mag. Tja, und wenn ich versage und das Projekt beendet wird, kann ich von Glück reden, wenn die Regierung mich mit einer anderen, weniger anspruchsvollen Aufgabe betraut; sicher ist das keineswegs. Ich bin eine Frau. Und ich habe nicht studiert.«
    Purlimil schüttelte verständnislos den Kopf. »Aber wenn du weggehst und keine Arbeit mehr hast, wovon lebst du denn dann?«
    »Das«, sagte Emma und starrte ins Feuer, »ist die große Frage, Purlimil.«
    Einer der Dingos trottete heran und ließ sich schnaufend neben ihnen auf den Boden plumpsen. Es war das Tier, das in der Nacht nach Carls Verschwinden mit Emma gewacht hatte. Seither suchte es oft ihre Nähe, als ahne es, dass Emma Trost nötig hatte.
    »Na, mein Alter?«, sagte Emma zärtlich und streichelte seine graue Schnauze. »Was rätst du mir für meine Zukunft?«
    »Emma, du musst bei uns bleiben, egal, wie dieser Mr Roberts über dich urteilt«, sagte Purlimil heftig. »Wir überleben ja auch ohne Geld. Dann kannst du das auch.«
    Emma schwieg. Konnte sie das?
    Ihre Hand strich über die Flanke des Hundes, während sie nachdachte.
    »Ich weiß nicht, Purlimil«, sagte sie schließlich. »Es gibt Dinge, die ich im Gegensatz zu euch brauche oder glaube zu brauchen, die ich mir ohne Geld aber nicht beschaffen kann. Kleidung zum Beispiel.«
    Oder Körperpflege, setzte sie in Gedanken hinzu. Briefpapier. Ein Ticket für die Reise nach Brisbane, um irgendwann einmal Mrs Dunnings zu besuchen. Nähzeug. Feder und Tinte. Geld, um bei den Conollys zu übernachten … Es gab so viel, wofür sie finanzielle Mittel benötigte! Nein, ganz ohne Geld konnte sie nicht

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