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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Hütte hin und her. Denn wenn sein Gedankengang richtig war, dann bedeutete das …
    Er blieb stehen und rang nach Luft.
    Es bedeutete, dass es nicht Emmas Aufgabe gewesen war, Carl in den Tod zu treiben!
    Sie hatte die wahre Aufgabe der Marmbeja noch gar nicht erfüllt.
    Irgendjemandem stand immer noch der Tod von ihrer Hand bevor.

17
    U nschlüssig packte Emma ihren Handspiegel in die Reisetasche. Dann holte sie ihn wieder heraus. Packte ihn wieder hinein. Holte ihn heraus. Und legte ihn schließlich seufzend auf den ständig höher werdenden Stapel vor dem Zelteingang.
    Obwohl John so begeistert reagiert hatte, war Emma die Vorstellung, das Lager zu verlassen, immer noch suspekt. Wenn Carl nun doch …
    Aber Carl würde nicht zurückkommen, und anstatt sich törichten Hoffnungen hinzugeben, sollte sie besser an Purlimil denken.
    Weitere Gegenstände landeten auf dem Stapel: ausgelesene Bücher, ihre zweite Bürste, ein paar bunte Haarbänder. Diese Dinge brauchte sie alle nicht. Dafür packte Emma sämtliche Hemdchen, Röckchen und Jacken von Belle in ihre Reisetasche.
    Die Kleine krähte fröhlich und rollte sich auf dem staubigen Boden vom Rücken auf den Bauch, dann legte sie den Kopf in den Nacken und schenkte Emma eines ihrer hinreißenden, zahnlosen Lächeln.
    »Du weißt überhaupt nicht, was auf uns zukommt, nicht wahr?«, sagte Emma zärtlich. »Das wird ein ganz schönes Abenteuer, meine Süße. Aber es muss sein, sagen die Ältesten.«
    Sie beugte sich über Belle und kitzelte sie, und das Baby dankte es ihr mit einem ausgiebigen »ma-ma-ma-ma-ma«. Es klang wie »Mama«, fand Emma, und sie küsste Belle gerührt auf die Stirn.
    Doch dann richtete sie sich auf und ermahnte sich, dass es keinen Sinn hatte, es noch länger aufzuschieben.
    Das, wovor sie sich schon die ganze Zeit über fürchtete.
    Emma atmete tief durch und wandte sich den Dingen zu, die ausnahmslos auf den Stapel vor dem Zelteingang gehörten: Hosen, Hemden, Rasiermesser, ein Paar derbe Ersatzstiefel, ein Messer.
    All das, was er zurückgelassen hatte und was jetzt sie zurücklassen musste.
    Carls gesamte Habe.
    Sie spürte, wie ihre Stimmung kippte; wie die Bereitschaft, sich zu fügen – dem Willen der Eingeborenen, den Erfordernissen ihres Alltags, dem Lauf ihres Schicksals –, verblasste und einer bodenlosen Trauer wich. Es war dasselbe Gefühl, das sie nachts überfiel, wenn sie von Carl träumte, diesen stets wiederkehrenden, entsetzlichen Traum.
    Carl zwischen Leben und Tod, gemartert, zerschlagen, unendlich fern von ihr. Sie möchte zu ihm eilen, aber er lässt sie nicht; will sie um jeden Preis von sich forthalten.
    Getrennt von ihr, weil er es so will.
    Mit zitternder Hand strich sie über den Stoff eines seiner Hemden.
    In den letzten Wochen hatte Emma sich oft gefragt, ob die nächtlichen Bilder und Botschaften eine reale Grundlage haben mochten, da sie sich so hartnäckig wiederholten. Und wenn schon! Was nützten ihr Botschaften, mit denen sie nichts anfangen konnte? Sie hatte Carl überall gesucht und nicht die kleinste Spur von ihm entdeckt. Er konnte Hunderte, Tausende Kilometer von ihr entfernt sein. Was ihm auch zugestoßen war – Emma hatte nicht die geringste Chance, ihn auf diesem riesigen, weitgehend unerforschten Kontinent wiederzufinden, zumal weder Polizei noch Regierung bereit waren, ihr zu helfen.
    Und außerdem will er dich ja gar nicht sehen .
    Sie zuckte zusammen wie unter einem Schlag. Vielleicht war dies die Botschaft ihrer Träume: dass sie Carl endlich freigeben musste, obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte.
    »Ma-ma-ma-ma-ma«, lallte Belle, und Emma fühlte ein kleines, dickes Händchen auf ihren Fuß patschen. Sie hob das Baby auf, drückte es fest an ihre Brust und schluckte ihre Tränen hinunter.
    »Fangen wir an«, sagte sie mit rauer Stimme zu Belle.
    Und dann packte sie Carls gesamte Habe in einen Koffer, als habe sie sich tatsächlich damit abgefunden, ihn verloren zu haben.
    Als Emma Stunden später mit den Eingeborenen am abendlichen Feuer saß, Fladenbrot und gedünstetes Vogelfleisch verzehrte und den Gesprächen lauschte, die sich um den bevorstehenden Aufbruch drehten, sah sie durch die Schatten hinüber zu Purlimil.
    Die Freundin hockte zusammengesunken neben Yileen, aß nichts, sagte nichts, schaute niemanden an. Es interessierte sie weder, dass Gelar auf Emmas Schoß saß statt auf ihrem eigenen, noch dass der ganze Clan ihretwegen auf Wanderschaft gehen wollte. Obwohl

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