Der Ruf des Kookaburra
Entrüstung erwähnt. Dennoch war da etwas in seinem Blick gewesen, das Emma verunsichert hatte. Sie hätte jedenfalls nicht die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass John niemals die Dienste einer dieser Damen in Anspruch genommen hatte. Er war eben ein Mann.
Carl war nicht so . Aber einen Mann wie Carl bekommt man nur ein einziges Mal im Leben.
Eine weitere Akazienduftschwade erreichte Emmas Nase und besänftigte die Melancholie, die sie aus heiterem Himmel überfallen hatte.
John, der von ihren Gefühlsumschwüngen nichts ahnte, lächelte ihr unverdrossen zu. »Lass uns das letzte Stück reiten«, schlug er vor. »Der Clan ist uns um einiges voraus. Schau, dort vorn scheint unser Rastplatz für die heutige Nacht zu sein.«
In der Tat hatte Emmas Selbstvergessenheit sie weit zurückfallen lassen; die Schwarzen waren nicht einmal mehr zu hören. Nur der freien Sicht über das Gräsermeer war es zu verdanken, dass Emma und John den Anschluss nicht vollkommen verloren hatten. John half ihr in den Sattel. Nötig wäre das eigentlich nicht gewesen. Aber seine Berührung fühlte sich zu tröstlich an, als dass Emma freiwillig auf diese anständige, erlaubte Form der Nähe verzichtet hätte.
Schweigend trieben sie ihre Pferde an. Das hohe Gras kitzelte an Emmas Beinen. Die schwer bepackten Rösser, die nun auch noch ihre Besitzer tragen mussten – samt Belle in der hölzernen Trage auf Emmas Rücken –, ließen sich zu kaum mehr als einem gemächlichen Trab überreden, bevor sie wieder in den Schritt fielen. Emmas Blick flog zu John, der gemächlich auf Sirius neben ihr herritt, beide Zügel in der linken Hand, während die Rechte lässig auf seinem Oberschenkel ruhte.
John. Wenn er sich je ernsthaft in sie verlieben sollte, würde er ihr und Belle gewiss ein geregeltes, sorgenfreies Leben in Sydney bieten. Warum sonst erzählte er ihr so viel von dieser Stadt, wenn nicht, um sie für Sydney einzunehmen?
Wenn du John wirklich haben willst, solltest du vielleicht anfangen, dich ein bisschen um ihn zu bemühen . Bevor es zu spät ist, denn eure gemeinsame Zeit verrinnt. Wenn John geht, wird es für immer sein.
Der Gedanke, dass John sie verlassen würde, gefiel Emma nicht. Und doch würde es unweigerlich dazu kommen, wenn sie ihn nicht endlich zu mehr ermutigte als zu reiner Freundschaft. John würde nicht ewig darauf warten, dass Emma sich dazu durchrang, sich von Carl zu lösen. Er war jung, gut aussehend, charmant und wohlhabend – die ganze Welt stand Männern wie ihm offen. Emma hingegen war nur eine Frau, eine von vielen, vielen Versuchungen. Und sie tat besser daran, das niemals zu vergessen.
Mit Carl hattest du niemals solche Gedanken.
Plötzlich kam Emma ihr momentanes Leben mit seinem nichtigen Geplauder und den allzu praktischen Erwägungen abstoßend und schal vor.
Gedankenverloren sah sie in die Ferne. Es stimmte schon: Für Carl war sie niemals »nur« eine Frau gewesen. Sie war Emma gewesen, die Person, die er geliebt hatte. Deren Charakter er geachtet und deren Wesen er vergöttert hatte. Mit der er geforscht, geredet, gelacht und gestritten hatte, verbunden für die Ewigkeit. Die kleinen Ärgernisse und Missverständnisse – das hatte Emma längst erkannt – waren nicht der Rede wert gewesen angesichts der Liebe und des tiefen Respekts, die ihre Verbindung ausgezeichnet hatten.
Eine wundervolle Ehe … mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass sie nach weniger als einem Jahr zu Ende gewesen war.
Emma schloss die Augen, überließ sich dem Rhythmus von Princess’ Schritten und fühlte die Wintersonne ihre Wangen streicheln. Zum ersten Mal seit langer Zeit überkam sie das Bedürfnis zu beten.
Lieber Gott, gib ihn mir zurück. Was Carl und ich zusammen hatten, war vielleicht nicht das Paradies. Aber es war ganz nah dran …
Doch natürlich hörte Gott ihr stummes Rufen nicht. Niemand antwortete ihr, bis auf die Gräser, die sich flüsternd und lockend im Nachmittagswind wiegten.
28
E mma hatte sich ein einsames Plätzchen abseits des Clans gesucht, um sich ganz in Ruhe um Belle und Gelar kümmern zu können. Mit schlechtem Gewissen dachte Emma, dass sie Belles Brüderchen sträflich vernachlässigt hatte, seit der Clan auf Wanderung war. Eigentlich sah sie den Kleinen nur noch, wenn sie Belle zum Stillen zu Purlimil brachte. Das musste sich schleunigst ändern! Gelar konnte schließlich nichts dafür, dass seine Mutter und Emma sich voneinander entfremdet hatten.
Mit gerunzelter
Weitere Kostenlose Bücher