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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
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Worte im Nachhinein in ein Vermächtnis umgedeutet hat, weil sie davon ausging, dass Lula sich da schon mit Selbstmordgedanken trug. Sie ist ein ziemlich … oberflächliches Mädchen.«
    »Man hat nach einem Testament gesucht, nicht wahr?«
    »Oh ja, und zwar gründlich. Wir – Lulas Familie – glaubten nicht, dass Lula eines aufgesetzt hatte, und auch sonst wusste niemand von einem letzten Willen; aber natürlich wurde danach gesucht. Aber obwohl die Polizei alles durchwühlt hat, wurde nichts dergleichen gefunden.«
    »Nehmen wir trotzdem einmal an, dass Ciara Porter die Bemerkung Ihrer Schwester richtig wiedergegeben hat …«
    »Keinesfalls hätte Lula mir alles hinterlassen. Niemals.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie damit unsere Mutter übergangen hätte, und Lula hätte sie bestimmt nicht so verletzen wollen«, erklärte Bristow ernst. »Dabei geht es weniger um das Geld selbst – Dad hat Mum wirklich genug hinterlassen – als darum, welches Signal sie damit gesetzt hätte, wenn sie Mum außen vor gelassen hätte. Ein Testament kann sehr verletzend sein. Das habe ich unzählige Male erlebt.«
    »Hat denn Ihre Mutter ein Testament gemacht?«, wollte Strike wissen.
    Bristow sah ihn erstaunt an.
    »Ich … Ja, ich glaube schon.«
    »Darf ich fragen, wer darin bedacht wird?«
    »Ich habe es nie gesehen«, antwortete Bristow leicht steif. »Inwiefern ist das …«
    »Alles ist relevant, John. Zehn Millionen sind ein verfluchter Haufen Geld.«
    Bristow schien unschlüssig, ob Strike völlig gefühllos oder einfach nur unverschämt war. Schließlich antwortete er: »Nachdem es keine weiteren Verwandten gibt, werden wohl Tony und ich die Hauptbegünstigten sein, nehme ich an. Möglicherweise werden auch ein, zwei Wohltätigkeitsorganisationen bedacht; in dieser Hinsicht war meine Mutter immer schon großzügig. Allerdings werden Sie bestimmt verstehen«, und an Bristows Hals stiegen rote Flecken auf, »dass ich nicht so schnell erfahren möchte, wie der letzte Wille meiner Mutter lautet, wenn man bedenkt, was passieren muss, damit er verlesen wird.«
    »Natürlich nicht«, bekräftigte Strike.
    Sie waren vor Bristows Kanzlei angekommen, einem strengen achtstöckigen Bau, den man durch einen düsteren Torbogen betrat. Bristow blieb am Eingang stehen und drehte sich zu Strike um.
    »Glauben Sie immer noch, ich bilde mir das alles nur ein?«, fragte er, während zwei Frauen in dunklen Kostümen an ihnen vorbeieilten.
    »Nein«, antwortete Strike ehrlich.
    Bristows Miene hellte sich ein wenig auf.
    »Ich melde mich bei Ihnen wegen Somé und Marlene Higson. Ach ja – das hätte ich um ein Haar vergessen. Lulas Laptop.« Er klopfte auf die Ledertasche in seiner Hand. »Ich habe ihn für Sie aufgeladen, aber er ist passwortgeschützt. Bei der Polizei hatte man das Passwort geknackt und danach meiner Mutter mitgeteilt, aber sie hat es wieder vergessen, und mir hat es nie jemand verraten. Vielleicht steht es ja in der Akte?«, fragte er hoffnungsvoll.
    »Nicht soweit ich mich erinnere«, sagte Strike, »aber das sollte kein größeres Problem darstellen. Wo war der Laptop seit Lulas Tod?«
    »Erst bei der Polizei und danach bei meiner Mutter. Lulas Sachen sind inzwischen fast alle bei ihr. Sie konnte sich noch zu keiner Entscheidung durchringen, was damit geschehen soll.«
    Er übergab Strike den Laptop und verabschiedete sich; dann streckte er kurz, aber sichtbar die Schultern durch, schritt die Stufen hinauf und verschwand hinter den Türen der Kanzlei.

7
    Mit jedem Schritt, den Strike zurück in Richtung Kensington Gore humpelte, scheuerte sein Stumpf schmerzhafter über die Prothese. Allmählich geriet er in seinem schweren Mantel ins Schwitzen. Während die fahle Sonne den Park in der Ferne zum Schimmern brachte, fragte er sich, ob der düstere Verdacht, der ihn beschlichen hatte, mehr war als nur ein Schatten, der in den Tiefen eines schlammigen Tümpels dahinzog: ein Lichtspiel, eine optische Täuschung auf der vom Wind gekräuselten Wasseroberfläche. Hatte eine schleimige Flosse diese schimärischen Schleier aus schwarzem Schlick aufgewirbelt, oder waren sie nur bedeutungsloses Gasgeblubber, das irgendwelche Algen abgesondert hatten? War es möglich, dass tief verborgen in diesem Morast irgendetwas lauerte, das sich bisher allen Schleppnetzen entzogen hatte?
    Auf seinem Weg zur U-Bahn-Haltestelle Kensington passierte er das Queen’s Gate am Hyde Park; verschnörkelt, rostrot und verziert mit königlichen

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