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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
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Insignien. Seinem unheilbar aufmerksamen Blick fielen sofort die Skulpturen von Reh und Kitz auf dem einen Pfeiler und die des Hirschbocks auf dem anderen auf. Die Menschen sahen oft Symmetrie und Gleichheit, wo keine war. Fast identisch und doch ganz anders … Sein Hinken verstärkte sich, und Lula Landrys Laptop schlug immer schwerer gegen sein Bein.
    Als er unter Schmerzen, humpelnd und frustriert um zehn vor fünf endlich ins Büro zurückkehrte, empfand er es in seiner düsteren Stimmung nur als konsequent, dass Robin ihm erklärte, sie sei auch heute an der Telefonistin in Freddie Bestiguis Produktionsgesellschaft gescheitert; und dass sie genauso erfolglos nach einem Telefonanschluss unter dem Namen Onifade in Kilburn und Umgebung gefahndet habe.
    »Sie könnte auch einen anderen Nachnamen haben, wenn sie Rochelles Tante ist, oder?«, merkte Robin an, während sie ihren Mantel zuknöpfte und sich zum Gehen bereitmachte.
    Strike nickte müde. Gleich nachdem er zur Tür hereingekommen war, hatte er sich auf das durchgesessene Sofa fallen lassen, was er in Robins Gegenwart noch nie getan hatte. Er sah abgespannt aus.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Mir geht’s gut. Hat Temporary Solutions was von sich hören lassen?«
    »Nein«, antwortete Robin und zog den Gürtel straff. »Vielleicht haben sie mir ja geglaubt, als ich sagte, ich hieße Annabel? Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, wie eine Australierin zu klingen.«
    Er grinste. Robin klappte den Zwischenbericht zu, den sie gelesen hatte, während sie auf Strikes Rückkehr gewartet hatte, stellte ihn ins Regal zurück, wünschte Strike einen guten Abend und ließ ihn auf dem Sofa sitzen, den Laptop neben ihm auf dem fadenscheinigen Polster.
    Als Robins Schritte verklungen waren, machte Strike sich so lang wie möglich, beugte sich zu der Glastür hinüber und schloss ab; und brach dann das Rauchverbot, das er sich für die Werktage im Büro auferlegt hatte. Er klemmte sich die brennende Zigarette zwischen die Zähne, zog das Hosenbein hoch und löste die Riemen, mit denen seine Prothese am Schenkel befestigt war. Dann rollte er das Gelkissen vom Stumpf und untersuchte das Ende des amputierten Schienbeins.
    Eigentlich sollte er die Haut jeden Abend auf Reizungen hin prüfen. Jetzt stellte er fest, dass das Narbengewebe gerötet und viel zu warm war. Bei Charlotte hatte im Badezimmerschrank eine ganze Batterie von Cremes und Pudern gestanden, alle erworben zur Pflege dieses Hautflecks, der inzwischen Kräften ausgesetzt war, für die er nicht geschaffen war. Vielleicht hatte sie den Maisstärkepuder und das Babyöl in einen der noch ungeöffneten Kartons gepackt? Doch er brachte nicht die Kraft auf, aufzustehen und nachzusehen, und genauso wenig wollte er die Prothese wieder anziehen; und so blieb er gedankenversunken auf dem Sofa sitzen, rauchte und ließ das leere Hosenbein über dem Boden baumeln.
    Seine Gedanken begannen zu wandern. Er dachte über Familien und Namen nach und darüber, wie sehr sich seine Kindheit und die von John Bristow ähnelten, auch wenn sie auf den ersten Blick völlig unterschiedlich verlaufen waren. Auch in Strikes Familiengeschichte gab es geisterhafte Gestalten: den ersten Ehemann seiner Mutter zum Beispiel, von dem sie kaum je gesprochen hatte, außer um zu betonen, dass sie es vom ersten Tag an gehasst hatte, verheiratet zu sein. Tante Joan, deren Gedächtnis regelmäßig dort am zuverlässigsten war, wo die Erinnerungen ihrer Mutter am verschwommensten waren, hatte erzählt, dass die achtzehnjährige Leda ihren Ehemann schon nach zwei Wochen habe sitzen lassen; dass sie Strike senior (der, wie Tante Joan berichtete, zusammen mit dem Jahrmarkt in St. Mawes Einzug gehalten hatte) nur geheiratet habe, um ein neues Kleid und einen neuen Namen zu bekommen. Tatsächlich war Leda ihrem angeheirateten Namen treuer geblieben als jedem Mann. Sie hatte ihn sogar an ihren Sohn weitergegeben, wenngleich dieser den lange vor seiner Geburt verschwundenen Namensgeber nie kennengelernt hatte.
    Strike rauchte nachdenklich eine Zigarette nach der anderen, bis es im Büro allmählich dämmrig wurde. Erst dann wuchtete er sich auf seinen Fuß hoch, stützte sich erst am Türknauf und dann an der Sockelleiste über der Wandvertäfelung hinter der Glastür auf, um nicht umzukippen, und hopste los, um die Kartons zu durchwühlen, die immer noch aufgestapelt auf dem Treppenabsatz vor seinem Büro standen. In einem davon fand er schließlich ganz

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