Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
zuunterst die dermatologischen Produkte, die das Brennen und Kribbeln in seinem Stumpf lindern sollten, und machte sich daran, den Schaden zu beheben, den er ursprünglich angerichtet hatte, indem er nachts mit der Sporttasche über der Schulter quer durch London gewandert war.
Die Tage waren inzwischen deutlich länger als noch vor zwei Wochen; die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, als Strike sich um acht Uhr zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen im Wong Kei niederließ, dem mehrstöckigen, in Weiß gehaltenen chinesischen Restaurant mit dem Fensterblick auf eine Spielhölle namens Play to Win. Die Prothese wieder anzuschnallen war äußerst schmerzhaft gewesen, und noch schmerzhafter gestaltete es sich, die Charing Cross Road entlangzugehen, aber das war ihm immer noch lieber, als die grauen Metallstangen zu benutzen, die man ihm bei der Entlassung aus dem Selly Oak Hospital mitgegeben und die er ebenfalls in einem der Kartons gefunden hatte.
Während Strike mit einer Hand die gebratenen Nudeln in sich hineinschaufelte, untersuchte er mit der anderen Lula Landrys Laptop, den er neben seinem Bierglas aufgeklappt hatte. Das dunkelrosa Gehäuse war mit Kirschblüten bedruckt. Strike kam überhaupt nicht auf die Idee, dass man den Anblick eines großen, haarigen Mannes, der sich über ein so zierliches, rosafarbenes, eindeutig feminines Gerät beugte, kurios finden könnte, aber die beiden Kellner in ihren schwarzen T-Shirts hatten schon mehrfach verstohlen geschmunzelt.
»Was macht die Kunst, Federico?«, fragte um halb neun ein blässlicher junger Mann mit strähnigen Haaren und ließ sich im selben Moment Strike gegenüber auf den Stuhl fallen. Der Neuankömmling trug Jeans, ein T-Shirt mit psychedelischem Muster, Chucks und schräg über seiner Brust eine Ledertasche.
»Es lief schon schlechter«, brummte Strike. »Wie geht’s? Was zu trinken?«
»Klar, ich nehm ein Bier.«
Strike bestellte ein Glas für seinen Gast, den er immer noch Spanner nannte, ohne dass er noch gewusst hätte, warum. Spanner hatte sein Informatikstudium mit Auszeichnung abgeschlossen und verdiente deutlich mehr, als seine Kleidung vermuten ließ.
»Eigentlich hab ich keinen Hunger, ich hab nach der Arbeit schon einen Burger gegessen«, meinte er, während er die Speisekarte überflog. »Aber eine Suppe könnt ich noch vertragen. Eine Wantansuppe bitte«, wandte er sich an den Kellner. »Hübscher Laptop, den du da hast, Fed.«
»Er gehört mir nicht«, sagte Strike.
»Das ist der, um den’s geht, oder?«
»Genau.«
Strike schob den Computer vor Spanner, und der begutachtete das Gerät mit jener Mischung aus Interesse und Geringschätzung, die all jene ausstrahlten, für die technisches Gerät kein notwendiges Übel, sondern Lebensinhalt war.
»Drecksding«, stellte er schließlich gut gelaunt fest. »Wo hast du dich versteckt, Fed? Die Leute machen sich schon Sorgen um dich.«
»Nett von ihnen«, antwortete Strike mit vollem Mund. »Aber das ist nicht nötig.«
»Ich war vor ein paar Abenden bei Nick und Ilsa, und da ging es praktisch ausschließlich um dich. Sie meinten, du wärst abgetaucht. Ah, danke«, sagte er, als seine Suppe gebracht wurde. »Genau, sie haben bei dir angerufen, aber da geht immer nur der AB ran. Ilsa tippt auf Stress mit Charlotte.«
Er sollte den unbeteiligten Spanner vielleicht als Medium einsetzen, um seine Freunde über seine aufgelöste Verlobung zu informieren, überlegte Strike. Spanner, der jüngere Bruder eines alten Freundes, wusste kaum etwas über und interessierte sich auch nicht für die lange, peinigende Geschichte, die Strike mit Charlotte verband. Nachdem es Strike vor allem darum ging, persönliche Mitleidsbekundungen und Manöverkritik zu vermeiden, und er gleichzeitig nicht vorhatte, die Trennung zu verheimlichen, antwortete er, dass Ilsa das ganz richtig erfasst habe und dass es besser sei, wenn seine Freunde fortan nicht mehr in Charlottes Wohnung anriefen.
»Ätzend«, sagte Spanner, zielte dann aber sogleich mit dem spatelförmigen Zeigefinger auf den Dell und fragte mit der für ihn typischen Gleichgültigkeit gegenüber allem menschlichen Leid: »Was soll ich mit dem Ding machen?«
»Die Polizei hat ihn sich schon angesehen«, antwortete Strike leise, obwohl er und Spanner die Einzigen in der Nähe waren, die sich nicht auf Kantonesisch unterhielten, »aber ich hätte gern eine zweite Meinung.«
»Die haben gute Techniker bei der Polizei. Ich kann mir nicht
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