Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
silberne Minikleid, das sie für die letzten Fotos hatte tragen müssen. Sie war sehr dünn, fast knochig, hatte milchweiße Haut und beinahe ebensolches Haar. Ihre blassblauen Augen standen weit auseinander. Sie streckte ihre endlosen Beine aus und zündete sich eine Marlboro Light an. Die langen silberfarbenen Riemchen ihrer Plateauschuhe schlängelten sich die Waden hinauf.
»Oh mein Gott, Sie sind Rokers’ Sohn? Wie krass!«, rief sie atemlos und riss die hellen Augen und die vollen Lippen weit auf. »Endkrass! Ich kenne Rokers nämlich. Er hat Looly und mich letztes Jahr zu seinem Greatest-Hits-Release eingeladen. Ihre Brüder hab ich auch getroffen, Al und Eddie. Die haben mir erzählt, dass sie einen großen Bruder bei der Army haben. Oh. Mein. Gott. Fertig, Bryony?«, fügte Ciara spitz hinzu.
Die Visagistin, die ihre Utensilien bis dahin in aller Ruhe zusammengepackt hatte, fing nun an, deutlich flinker zu arbeiten. Ciara beobachtete sie schweigend und rauchte.
»Ja, fertig«, sagte Bryony mit einem breiten Lächeln, schulterte eine schwere Kiste und griff sich mit der anderen Hand mehrere Köfferchen. »Bis bald, Ciara. Wiedersehen«, sagte sie mit Blick auf Strike und verschwand.
»Sie ist neugierig ohne Ende und ständig nur am Tratschen«, vertraute Ciara Strike an, warf ihr langes blondes Haar zurück und veränderte die Position ihrer schlanken Fesseln.
»Sehen Sie Al und Eddie oft?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Strike.
»Und Ihre Mum erst!«, sagte sie unbeeindruckt und blies Rauch aus dem Mundwinkel. »Also, sie ist ja wohl eine Legende! Baz Carmichael hat vorletzte Saison eine ganze Supergroupie-Kollektion gemacht, und da waren Bebe Buell und Ihre Mum echt die perfekte Inspiration. Mit ihren Maxiröcken und den knopflosen Blusen und den Stiefeln und so.«
»Muss mir wohl entgangen sein«, murmelte Strike.
»Ach, das war irgendwie … Sie wissen ja, was man über die Ossie-Clark-Kleider sagt, dass die Männer die so gut fanden, weil man sie so leicht aufmachen und losvögeln konnte. Das war irgendwie schon die Ära Ihrer Mum, oder nicht?«
Wieder warf sie sich die Haare aus dem Gesicht und sah ihn an – nicht kalt und abschätzend wie Tansy Bestigui, sondern mit offen zur Schau gestellter Neugier. Er konnte nur schwer einschätzen, ob sie es ehrlich meinte oder lediglich eine Rolle spielte. Ihre Schönheit war wie eine dicke Spinnwebe, durch die er sie nur undeutlich wahrnahm.
»Na gut. Wenn Sie gestatten, würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen über Lula stellen.«
»Oh mein Gott, klar. Ja. Nein, ich will echt helfen. Als ich gehört habe, dass da jemand ermittelt, dachte ich gleich: Gut so. Endlich.«
»Wirklich?«
»Gott, ja! Das war alles so schockierend! Ich konnte es überhaupt nicht glauben. Ich hab immer noch ihre Nummer eingespeichert, wollen Sie sie sehen?«
Sie kramte in einer monströsen Handtasche und förderte ein weißes iPhone zutage. Dann scrollte sie durch die Kontaktliste, beugte sich vor und zeigte ihm den mit »Looly« beschrifteten Eintrag. Strike roch ihr süßes, würziges Parfüm.
»Ich denk immer noch, sie ruft jeden Augenblick an«, sagte Ciara jetzt etwas verhaltener und ließ das Handy in die Tasche zurückfallen. »Ich kann die Nummer unmöglich löschen. Ich will’s ja immer, aber ich schaff’s irgendwie nicht, wissen Sie?«
Sie zog ein Bein unter sich und rauchte ein paar Sekunden lang schweigend weiter.
»Sie waren an dem Tag, an dem Lula starb, lange mit ihr zusammen, nicht wahr?«, fragte Strike.
»Gott, erinnern Sie mich nicht daran«, sagte Ciara und schloss die Augen. »Das hab ich inzwischen eine Million Mal durchgekaut! Ich kapier einfach nicht, wie man erst so gut drauf sein kann und dann ein paar Stunden später einfach tot.«
»Sie war gut gelaunt?«
»Besser denn je! Die ganze Woche schon. Wir waren gerade von einem Vogue -Shooting in Antigua zurück, sie und Evan waren wieder zusammen und haben sogar so ’ne Art Treuezeremonie abgehalten, damit alle wussten, dass sie sich liebten und so. Es lief echt super für sie, sie war auf Wolke sieben.«
»Waren Sie bei dieser Zeremonie anwesend?«
»Aber sicher«, sagte Ciara und ließ ihre Kippe in eine Coladose fallen, wo sie zischend verlöschte. »Gott, das war vielleicht romantisch! Evan hat sie in Dickie Carburys Haus damit überrascht. Kennen Sie Dickie Carbury? Er ist Gastronom und hat dieses grandiose Anwesen in den Cotswolds, wir waren alle da am Wochenende, und Evan hatte
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