Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
Vom Netzwerk:
das aufgekritzelte Datum des Vortags. Er zog die auf Rollen laufende Metallbahre mit der Leiche heraus und platzierte sie geschickt auf dem bereitstehenden Wagen. Strike sah, wie Carvers Kiefer mahlten, als er zurücktrat, damit der Pathologiemitarbeiter den Wagen ein Stück zur Seite schieben konnte. Mit einem metallisch dumpfen Schlag verschwanden die restlichen Leichen wieder aus der Sicht.
    »Den Aufbahrungsraum sparen wir uns, nachdem wir unter uns sind«, sagte der Pathologiegehilfe munter. »In der Mitte ist das Licht am besten«, fügte er hinzu, während er den Wagen in die Nähe des Ablaufs schob und das Leichentuch zurückzog.
    Vor ihnen lag Rochelle Onifade: aufgedunsen und angeschwollen, ihr Gesicht für immer von seinem misstrauischen Ausdruck befreit, der nichtssagender Verwunderung gewichen war. Strike hatte nach Wardles knapper Beschreibung am Telefon gewusst, was er sehen würde, sobald das Laken weggezogen wurde; aber die schreckliche Verwundbarkeit der Toten wurde ihm nun erneut bewusst, da er auf den Körper hinabsah – viel kleiner als zuvor, als sie vor ihm gesessen, Fritten gegessen und Wissen zurückgehalten hatte.
    Strike nannte ihren Namen, buchstabierte ihn, damit der Pathologiegehilfe und Wardle ihn korrekt aufs Schreibbrett beziehungsweise ins Notizbuch übernehmen konnten; er gab auch die einzige Adresse an, die er gekannt hatte: Obdachlosenheim St. Elmo in Hammersmith.
    »Wer hat sie gefunden?«
    »Die Wasserschutzpolizei hat sie letzte Nacht rausgefischt«, meldete sich Carver zum ersten Mal zu Wort. In seiner Stimme mit dem Südlondoner Akzent schwang ein deutlich feindseliger Unterton mit. »Leichen brauchen meist ungefähr drei Wochen, um aufzutauchen, was?«, fügte er hinzu, wobei sein Kommentar – mehr Feststellung als Frage – dem Pathologiegehilfen galt, der vorsichtig hüstelte.
    »Das ist der Durchschnittswert, aber mich würd’s nicht wundern, wenn er in diesem Fall unterschritten worden ist. Es gibt bestimmte Hinweise …«
    »Das erfahren wir von der Rechtsmedizin«, sagte Carver und winkte ab.
    »Es können keine drei Wochen gewesen sein«, sagte Strike, was ihm ein solidarisches Lächeln des Pathologiegehilfen eintrug.
    »Warum nicht?«, wollte Carver wissen.
    »Weil ich ihr erst vor zwei Wochen einen Burger mit Fritten spendiert habe.«
    »Ah«, sagte der Pathologiegehilfe und nickte Strike über den Leichnam hinweg zu. »Ich wollte gerade sagen, dass vor dem Tod zugeführte große Mengen Kohlehydrate den Auftrieb beeinflussen können. Die Gase …«
    »Und bei dieser Gelegenheit haben Sie ihr Ihre Karte gegeben, ja?«, fragte Wardle.
    »Ja. Mich wundert, dass sie noch lesbar war.«
    »Sie steckte zusammen mit ihrer Oyster Card in einer Plastikhülle in ihrer Gesäßtasche. Durch die Hülle war sie geschützt.«
    »Was hatte sie an?«
    »Eine viel zu große rosafarbene Kunstpelzjacke . Sah aus wie eine Muppet-Figur. Jeans und Laufschuhe.«
    »Wie an dem Tag, an dem ich ihr den Burger gekauft habe.«
    »Dann müsste ihr Mageninhalt eine genaue …«, begann der Pathologiegehilfe.
    »Wissen Sie, ob sie Angehörige hatte?«, fragte Carver.
    »Sie hat eine Tante in Kilburn. Den Namen kenne ich allerdings nicht.«
    Zwischen Rochelles fast geschlossenen Lidern blitzten durch die schmalen Schlitze weiße Augäpfel mit dem für Ertrunkene typischen Glanz. In den Hautfalten zwischen Mund und Nase waren Spuren blutigen Schaums zu erkennen.
    »Wie sehen ihre Hände aus?«, fragte Strike den Pathologiegehilfen, weil Rochelle nur bis zur Brust aufgedeckt war.
    »Kümmern Sie sich nicht um ihre Hände«, knurrte Carver. »Wir sind hier fertig, danke«, erklärte er mit laut durch den Raum hallender Stimme, und an Strike gewandt: »Kommen Sie, wir müssen mit Ihnen reden. Der Wagen steht draußen.«
    Er half der Polizei bei ihren Ermittlungen. Strike erinnerte sich noch daran, diesen Ausdruck als kleiner Junge, der von allen Aspekten der Polizeiarbeit fasziniert gewesen war, in den Nachrichten gehört zu haben. Seine Mutter hatte diese merkwürdige Faszination stets auf ihren Bruder Ted zurückgeführt, einen ehemaligen Militärpolizisten, der für Strike ein unerschöpflicher Quell spannender Reise-, Kriminal- und Abenteuergeschichten gewesen war. Der Polizei bei ihren Ermittlungen helfen: Als Fünfjähriger hatte Strike sich einen edlen, selbstlosen Bürger vorgestellt, der Zeit und Kraft opferte, um die Polizei zu unterstützen, die ihn mit Vergrößerungsglas und Schlagstock

Weitere Kostenlose Bücher