Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
amüsiert und leicht theatralisch.
»Am Tag vor ihrem Tod«, sagte Strike, »hat Landry sich in einem Laden in Notting Hill mit Rochelle getroffen. Landry hat Rochelle sofort in die Umkleidekabine gezogen, in der sie telefoniert und jemanden gebeten hat, in den frühen Morgenstunden in ihre Wohnung zu kommen. Eine der Verkäuferinnen hat den Anruf mit angehört; sie stand nur durch einen Vorhang von ihr getrennt in der benachbarten Kabine. Ein Mädchen namens Mel, rote Haare, Tätowierungen.«
»Wenn’s um Promis geht, erfinden die Leute allen möglichen Scheiß«, blaffte Carver.
»Wenn Landry dort mit irgendwem telefoniert hat«, sagte Wardle, »dann mit Duffield oder ihrem Onkel. Die Verbindungsdaten zeigen, dass das die Einzigen waren, die sie an diesem Nachmittag angerufen hat.«
»Und wozu wollte sie Rochelle dabeihaben?«, fragte Strike. »Wozu hat sie ihre Freundin mit in die Umkleidekabine genommen?«
»Frauen machen solche Sachen«, sagte Carver. »Die gehen auch gruppenpinkeln.«
»Benutzen Sie Ihren Scheißverstand! Sie hat mit Rochelles Handy telefoniert«, sagte Strike aufgebracht. »Sie hatte ihre Freunde getestet, um zu sehen, wer die Medien über sie auf dem Laufenden hält. Rochelle hatte als Einzige dichtgehalten. Als feststand, dass das Mädchen vertrauenswürdig war, hat sie ihr ein Handy gekauft und die Kosten dafür getragen. Ihr eigenes Handy war abgehört worden, nicht wahr? Sie hatte erlebt, dass Leute sie belauschten und dann darüber berichteten. Deshalb hatte sie ein Nokia gekauft und unter falschem Namen angemeldet, um sicher kommunizieren zu können, wenn sie das wollte. Ich gestehe Ihnen zu, dass das weder Duffield noch ihren Onkel ausschließt, weil der Anruf mit dem ›offiziellen‹ Handy ein vereinbartes Signal gewesen sein mochte. Aber alternativ hat sie Rochelles Handy dazu benutzt, mit jemand anders zu reden, von dem die Medien nichts wissen sollten. Ich habe Rochelles Handynummer. Finden Sie heraus, bei welchem Anbieter sie war, dann können Sie das alles nachprüfen. Das Handy selbst ist ein mit Strass besetztes rosafarbenes Nokia, aber das werden Sie nicht finden.«
»Natürlich nicht, weil es auf dem Grund der Themse liegt«, sagte Wardle.
»Natürlich nicht«, sagte Strike. »Weil der Mörder es hat. Er hat es ihr abgenommen, bevor er sie in den Fluss gestoßen hat.«
»Scheißdreck!«, höhnte Carver, und Wardle, der sich offenbar wider besseres Wissen interessiert gezeigt hatte, schüttelte den Kopf.
»Warum wollte Landry Rochelle bei sich haben, als sie telefoniert hat?«, wiederholte Strike. »Warum nicht vom Auto aus telefonieren? Warum hat Rochelle ihre Story über Landry nie verkauft, obwohl sie obdachlos und praktisch mittellos war? Dafür hätte die Presse ihr einen Haufen Geld gezahlt. Wieso hat sie auch dann nicht Kasse gemacht, als Landry schon tot war und nicht mehr darunter leiden konnte?«
»Aus Anstand?«, schlug Wardle vor.
»Ja, das ist eine Möglichkeit«, sagte Strike. »Die andere ist, dass sie genug Geld hatte, weil sie den Mörder erpresst hat.«
»Bockmist«, ächzte Carver erneut.
»Ach ja? Diese Muppet-Jacke, in der sie aus dem Wasser gezogen worden ist, hat anderthalb Riesen gekostet.«
Eine winzige Pause.
»Wahrscheinlich hat Landry sie ihr geschenkt«, sagte Wardle.
»Stimmte das, hätte sie’s geschafft, ihr etwas zu schenken, das im Januar noch gar nicht auf dem Markt war.«
»Als Model hatte sie Insiderkontakte … Schluss mit diesem Scheiß«, knurrte Carver, als ärgere er sich über sich selbst.
»Warum«, fragte Strike, indem er sich, auf die Ellenbogen gestützt, in Carvers giftigen Körpergeruch lehnte, »hat Lula Landry für eine Viertelstunde einen Umweg zu diesem Laden gemacht?«
»Sie hatte es eilig.«
»Warum ist sie überhaupt dorthingefahren?«
»Sie wollte das Mädchen nicht enttäuschen.«
»Sie hatte Rochelle gebeten, quer durch die Stadt zu fahren – dieses mittellose, obdachlose Mädchen, das sie sonst immer von ihrem Chauffeur heimfahren ließ. Sie hat sie in eine Umkleidekabine gezerrt und ist nach einer Viertelstunde wieder gegangen, sodass Rochelle zusehen musste, wie sie allein nach Hause kam.«
»Sie war eine verwöhnte Zicke.«
»Warum ist sie dann überhaupt aufgekreuzt? Wenn sie eine verwöhnte Zicke war, dann muss sie darin einen Vorteil gesehen haben. Und wenn sie keine verwöhnte Zicke war, muss sie sich in einem Gemütszustand befunden haben, der sie untypisch hat handeln lassen. Es
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