Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
zurückgefahren, um seine Schwester, Lady Bristow, zu besuchen. Weshalb?«
»Nun … Es ging ihr nicht gut.«
»Wirklich? Sie hatte gerade eine lebensrettende Operation hinter sich.«
»Sie haben ihr die Gebärmutter entfernt«, sagte Robin. »Ich glaube nicht, dass man sich danach so toll fühlt.«
»Wir haben also einen Mann, der seine Schwester nicht besonders gern mag – das weiß ich von ihm persönlich –, der aber zumindest glauben muss, sie werde nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus von ihren Kindern betreut. Wozu die Eile, sie zu besuchen?«
»Also«, sagte Robin hörbar verunsichert, »ich denke mal … Sie war eben erst aus dem Krankenhaus zurück …«
»Was er gewusst haben muss, bevor er nach Oxford gefahren ist. Warum ist er also nicht in London geblieben, hat sie besucht, wenn ihm so viel an ihr lag, und ist erst nachmittags zu seiner Tagung gefahren? Wozu gut fünfundfünfzig Meilen weit fahren, in diesem Luxusknast übernachten, zu der Tagung gehen, sich einschreiben und dann nach London zurückrasen?«
»Vielleicht hat er einen Anruf bekommen, dass ihr Zustand sich verschlechtert hatte? Vielleicht hat John Bristow ihn angerufen und gebeten zu kommen?«
»Bristow hat nie erwähnt, dass er seinen Onkel zu einem Besuch aufgefordert hätte. Ich behaupte, dass die zwei damals Zoff hatten. Beide sind wortkarg, was Landrys Besuch betrifft. Keiner der beiden redet gern darüber.«
Strike stand auf, begann leicht hinkend auf und ab zu gehen, nahm die Schmerzen in seinem Bein jedoch kaum wahr.
»Nein«, sagte er, »dass Bristow seine Schwester, von der jeder behauptet, sie sei der Liebling ihrer Mutter gewesen, um einen Besuch gebeten hat … Das klingt vernünftig. Dass er aber seinen Onkel, der verreist und keineswegs ihr größter Fan war, um einen weiten Umweg gebeten haben soll … Das riecht irgendwie faul. Und jetzt erfahren wir, dass Alison ihn in seinem Oxforder Hotel gesucht hat. An einem Werktag. War sie auf eigene Faust unterwegs, oder hat jemand sie hingeschickt?«
Das Telefon klingelte. Robin nahm den Hörer ab. Zu Strikes Überraschung imitierte sie umgehend einen gekünstelten australischen Dialekt.
»Sorry, nah, sie is nicht hiah … Nah … Nah … Ich waaß nich, wo sie is … Nah … Mein Nahm is Annabel …«
Strike kicherte in sich hinein. Robin warf ihm einen Blick voll gespielter Empörung zu. Nachdem sie fast eine Minute lang breitestes Australisch gesprochen hatte, legte sie auf.
»Temporary Solutions«, sagte sie.
»Ich lerne gerade eine ganz neue Annabel kennen. Diese hier hat eher südafrikanisch als australisch geklungen.«
»Ich will hören, was Sie gestern alles erlebt haben«, sagte Robin, die ihre Ungeduld nicht länger zügeln konnte. »Haben Sie mit Bryony Radford und Ciara Porter sprechen können?«
Strike berichtete, was sich ereignet hatte, und ließ nur die Ereignisse nach seinem Besuch bei Evan Duffield aus. Besonderen Nachdruck legte er auf Bryony Radfords Beteuerung, allein die Legasthenie habe sie dazu gebracht, Ursula Mays Mailbox abzuhören; auf Ciara Porters wiederholte Behauptung, Lula habe ihr erklärt, sie wolle alles ihrem Bruder hinterlassen; auf Evan Duffields Verärgerung darüber, dass Lula im Uzi immer wieder auf die Uhr gesehen hatte; und auf die Nachricht, die Tansy Bestigui ihrem zukünftigen Exmann geschickt hatte.
»Und wo war Tansy?«, fragte Robin, die jedes seiner Worte erfreulich aufmerksam aufgenommen hatte. »Wenn wir das herausfinden könnten …«
»Oh, ich kann mir denken, wo sie war«, sagte Strike. »Aber es wird schwierig werden, sie zu diesem Eingeständnis zu bewegen, weil es sie um die Chance bringen könnte, sich eine Abfindung in Höhe von mehreren Millionen von Freddie zu erstreiten. Sie könnten übrigens selbst darauf kommen; Sie brauchen sich nur die Polizeifotos noch mal anzusehen.«
»Aber …«
»Sehen Sie sich die Aufnahmen von der Fassade am Morgen von Lulas Tod an und denken Sie darüber nach, wie wir sie gesehen haben. Das schult Ihr detektivisches Auge.«
Eine Woge des Glücks und der Aufregung brandete über Robin hinweg, die sich jedoch sofort an kaltem Bedauern darüber brach, dass sie bald in eine Personalabteilung wechseln würde.
»Ich muss mich umziehen«, sagte Strike und stand auf. »Versuchen Sie noch mal, Freddie Bestigui für mich zu erreichen?«
Er verschwand in seinem Büro, schloss die Tür hinter sich und tauschte seinen Glücksanzug (wie er ihn in Zukunft vielleicht nennen
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