Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
sagte Strike und streckte die Beine. Die Prothese drückte unbequem. »Wenn ich ihr erzähle, dass der juristische Fachausdruck für das, was Sie gemeinsam getan haben, ›Verschwörung zum Zweck der Strafvereitelung‹ ist und verspätet gezeigte Reue ihr eine Gefängnisstrafe ersparen könnte; wenn ich hinzufüge, dass ihr als Opfer häuslicher Gewalt die Sympathie der Öffentlichkeit sicher sein wird und wie viel Geld ihr die Exklusivrechte an ihrer Story vermutlich einbringen könnten; wenn sie erkennt, dass sie die Gelegenheit haben wird, vor Gericht auszusagen, man ihr glauben wird und sie dazu beitragen kann, dass der Mörder ihrer Nachbarin verurteilt wird … Mr. Bestigui, ich glaube, dass nicht einmal Sie genug Geld haben, um sich ihr Schweigen zu erkaufen.«
Die grobporige Haut um Bestiguis Mundwinkel zuckte. Er griff nach der Schachtel mit den Zigarillos, zog aber keinen weiteren heraus. Langes Schweigen folgte, und er drehte die Schachtel zwischen den Fingern hin und her.
Zuletzt sagte er: »Ich gebe nichts von alldem zu. Verschwinden Sie!«
Strike bewegte sich nicht.
»Ich weiß, dass Sie’s kaum erwarten können, Ihren Anwalt anzurufen«, sagte er, »aber ich glaube, dass Sie hier den Silberstreifen am Horizont übersehen.«
»Ich habe genug von Ihnen! Sie sollen verschwinden, hab ich gesagt!«
»So unangenehm es auch sein wird, eingestehen zu müssen, was sich in jener Nacht wirklich ereignet hat, ist es noch immer besser, als zum Hauptverdächtigen in einem Mordprozess zu werden. Von jetzt an geht’s nur mehr um das geringere Übel. Wenn Sie zugeben, was wirklich geschehen ist, kommen Sie vielleicht drum herum, als Lulas Mörder angeklagt zu werden.«
Das sicherte ihm Bestiguis ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Sie können es nicht gewesen sein«, sagte Strike, »denn wenn Sie Landry zwei Etagen drüber vom Balkon gestoßen hätten, hätten Sie Tansy nicht binnen Sekunden nach dem Sturz wieder ins Wohnzimmer lassen können. Ich denke, dass Sie Ihre Frau ausgesperrt haben, ins Schlafzimmer gegangen sind, es sich im Bett gemütlich gemacht – die Polizei hat geglaubt, jemand habe darin geschlafen – und den Wecker im Auge behalten haben. Sie durften nicht riskieren einzuschlafen. Hätten Sie Ihre Frau zu lange draußen in der Kälte gelassen, wären Sie womöglich wegen Totschlags dran gewesen. Kein Wunder, dass Wilson gesagt hat, sie habe gezittert wie ein Windhund – vermutlich aufgrund einer beginnenden Unterkühlung.«
Wieder eine Pause, in der Bestiguis dicke Finger leicht an die Schreibtischkante trommelten. Strike zog sein Notizbuch heraus.
»Sind Sie jetzt bereit, mir ein paar Fragen zu beantworten?«
»Arschloch!«
Der Produzent ließ seinem bisher unterdrückten Zorn nunmehr freien Lauf. Er reckte das Kinn vor und zog die Schultern bis zu den Ohren hoch. Strike stellte sich vor, dass er so ausgesehen hatte, als er mit ausgestreckten Händen auf seine magere, zugekokste Frau losgegangen war.
»Sie sitzen in der Scheiße«, sagte Strike gelassen, »aber wie tief Sie darin versinken, hängt ganz von Ihnen ab. Sie können alles leugnen, sich mit Ihrer Frau vor Gericht und in den Medien streiten und letzten Endes wegen falscher eidesstattlicher Versicherung und Behinderung polizeilicher Ermittlungen im Knast landen. Oder Sie können jetzt gleich anfangen, kooperativ zu sein, um sich die Dankbarkeit und das Wohlwollen von Lulas Angehörigen zu verdienen. Damit würden Sie Reue demonstrieren, die dazu beitragen könnte, das Gericht milde zu stimmen. Tragen Ihre Informationen dazu bei, Lulas Mörder zu fassen, dürften Sie nicht viel Schlimmeres zu befürchten haben als eine richterliche Rüge. Es wird die Polizei sein, die dann von der Öffentlichkeit und den Medien in die Mangel genommen wird.«
Bestigui atmete schwer, aber er schien über Strikes Worte nachzudenken. Zuletzt knurrte er: »Es gibt keinen beschissenen Mörder. Wilson hat dort oben niemanden gefunden. Landry ist gesprungen«, sagte er mit einem kurzen, herablassenden Kopfschütteln. »Sie war ’ne zugekiffte kleine Drogenmaus, wie meine verdammte Frau.«
»Es gibt einen Mörder«, erwiderte Strike, »und Sie haben ihm geholfen, damit durchzukommen.«
Irgendetwas in Strikes Gesichtsausdruck unterdrückte Bestiguis erkennbaren Wunsch, höhnisch aufzulachen. Seine Augen glichen Schlitzen aus schwarzem Glas, als er über Strikes Worte nachdachte.
»Sie wollten einen Film mit Lula machen?«
Dieser Themenwechsel schien
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