Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Stimme.
»Wardle.«
»Ja, hallo. Ich bin Cormoran Strike, und …«
»Sie sind was?«
»Cormoran Strike«, sagte Strike. »Das ist mein Name.«
»Ach so«, sagte Wardle. »Anstis hat gerade angerufen. Sie sind der Privatschnüffler? Anstis hat gesagt, dass Sie über Lula Landry reden wollen.«
»Stimmt genau«, sagte Strike und unterdrückte ein weiteres Gähnen, während er zu den Gemälden auf der Deckenvertäfelung aufsah. Sie stellten ein ausschweifendes Bacchanal dar, dessen Teilnehmer sich bei näherer Betrachtung als Feen herausstellten. Dann entdeckte er einen Mann mit Eselskopf. Ein Sommernachtstraum , kein Zweifel. »Die Akte wäre mir allerdings noch lieber.«
Wardle lachte.
» Mein Leben haben Sie noch nicht gerettet, Sportsfreund.«
»Ich hätte da ein paar Informationen, die Sie möglicherweise interessieren könnten. Wie wär’s mit einem Tausch?«
Eine kurze Pause folgte.
»Ich nehme an, dass dieser Tausch nicht am Telefon stattfinden soll?«
»Richtig«, sagte Strike. »Wohin gehen Sie denn nach der Arbeit auf ein kühles Bierchen?«
Nachdem er sich den Namen eines Pubs in der Nähe von Scotland Yard notiert und nach langem Hin und Her einen Termin in sieben Tagen (vorher hatte Wardle keine Zeit) vereinbart hatte, legte Strike auf.
So war es nicht immer gewesen. Noch vor ein paar Jahren hatten sowohl Zeugen als auch Verdächtige seinen Anordnungen nur zu gern Folge geleistet; seine Zeit war kostbarer gewesen als die jener Personen, mit denen er verkehrte. Genau wie Wardle heute hatte Strike Ort, Termin und Dauer von Befragungen und Vernehmungen diktiert. Und genau wie Wardle hatte er keine Uniform tragen müssen, um von einer ständigen Aura respekteinflößender bürokratischer Macht umgeben zu sein. Jetzt war er nur noch ein humpelnder Mann in einem verknitterten Hemd, der alte Bekannte um Gefallen bat und versuchte, Deals mit Polizisten auszuhandeln, die früher seine Anrufe mit Ehrfurcht entgegengenommen hätten.
»Arschloch«, sagte Strike so laut, dass es in seinem Glas widerhallte. Das dritte Pint war so schnell seine Kehle hinabgeflossen, dass kaum noch ein Fingerbreit Bier übrig war.
Sein Handy klingelte. Er warf einen Blick auf das Display und erkannte die Nummer seines Büros. Zweifellos wollte Robin ihm mitteilen, dass Peter Gillespie nach seinem Geld gefragt hatte. Er ließ die Mailbox drangehen, leerte das Glas und verließ den Pub.
Auf der Straße war es hell und kalt, der Gehweg war feucht, und die Pfützen glänzten silbern, sobald sich die Wolken vor die Sonne schoben. Vor dem Eingang des Tottenham zündete sich Strike eine Zigarette an und beobachtete die Bauarbeiter in dem Loch in der Straße. Nachdem er fertig geraucht hatte, schlenderte er die Oxford Street hinunter, um sich die Zeit zu vertreiben, bis die Personallösung Feierabend machen würde und er sich endlich schlafen legen konnte.
6
Robin hatte zehn Minuten gewartet. Als sie sich sicher sein konnte, dass Strike nicht zurückkommen würde, tätigte sie von ihrem Handy aus eine Reihe freudiger Anrufe. Die Nachricht von ihrer Verlobung hatte bei ihren Freundinnen entweder Begeisterungsrufe oder neidische Kommentare zur Folge, die Robin gleichermaßen befriedigt zur Kenntnis nahm. Um die Mittagszeit gönnte sie sich eine volle Stunde Pause, in der sie eine Packung Kekse für den Grafikdesigner (sie hinterlegte in einer leeren, mit »Kaffeekasse« beschrifteten Shortbread-Dose eine Notiz, die besagte, dass Strike ihr zweiundvierzig Pence schuldig war) sowie drei Hochzeitsmagazine kaufte. Zurück im Büro, verbrachte sie ebenso glückselige wie anregende vierzig Minuten damit, Hochglanzbilder von Hochzeitssträußen und Brautkleidern zu betrachten.
Sobald ihre selbst verordnete Mittagspause zu Ende war, spülte sie Mr. Crowdys Tassen und das Tablett ab und brachte alles zusammen mit den Keksen zurück. Bei ihrer zweiten Begegnung war er deutlich gesprächiger, und sein Blick wanderte wiederholt von ihrem Mund zu ihren Brüsten, woraufhin sie beschloss, ihn für den Rest der Woche zu meiden.
Strike war immer noch nicht zurück. In Ermangelung einer anderen Beschäftigung sortierte Robin den Inhalt der Schreibtischschubladen und entsorgte die mutmaßlichen Hinterlassenschaften früherer Aushilfskräfte: zwei verstaubte Milchschokoladetafeln, eine stumpfe Nagelfeile und zahlreiche Zettel mit Kritzeleien und Telefonnummern ohne dazugehörige Namen. Des Weiteren stieß sie auf eine Schachtel mit altmodischen
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