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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
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Bristow und schlüpfte in seinen Mantel. »Er will nicht, dass sie sich – aus seiner Sicht – noch einmal zum Gespött der Öffentlichkeit macht. Ich bekomme wahrscheinlich einen Rüffel dafür, dass ich sie mit Ihnen zusammengebracht habe. Bestimmt telefoniert er längst mit meinem Onkel, um sich über mich zu beschweren.«
    Strike fiel auf, dass Bristows Hände zitterten.
    Der Anwalt fuhr mit einem Taxi davon, das der Maître d’hôtel ihm gerufen hatte. Strike entfernte sich zu Fuß vom Cipriani, lockerte unterwegs seine Krawatte und war so in Gedanken versunken, dass ihn erst das laute Hupen eines heranrasenden Wagens aus seiner Träumerei aufschreckte, als er die Grosvenor Street überqueren wollte.
    Nach dieser überaus nützlichen Erinnerung daran, dass seine Sicherheit andernfalls gefährdet sein könnte, hielt Strike auf eine lange fahle Wand zu, die zum Elizabeth Arden Red Door Spa gehörte, lehnte sich jenseits des Fußgängerstroms dagegen, zündete sich eine Zigarette an und zückte sein Handy. Nachdem er mehrmals kurze Sequenzen abgespielt und dann wieder den Schnellvorlauf betätigt hatte, erwischte er endlich den Teil von Tansys aufgezeichneter Aussage, der die Augenblicke unmittelbar vor dem Sturz an ihrem Fenster vorbei betraf: » … als ich auf dem Rückweg durchs Wohnzimmer kam, habe ich von oben Geschrei gehört. Sie – Lula – hat gerufen: ›Es ist zu spät, ich hab’s getan‹, und dann hat ein Mann ziemlich laut gesagt: ›Du bist eine verlogene Schlampe!‹, und dann … dann hat er sie übers Geländer gestoßen. Ich hab sie vorbeifallen sehen.«
    Wenn er genau hinhörte, konnte er sogar das leise Klirren vernehmen, mit dem Bristow sein Glas auf den Tisch stellte. Strike hörte sich die Stelle noch einmal an.
    »… hat gerufen: ›Es ist zu spät, ich hab’s getan‹, und dann hat ein Mann ziemlich laut gesagt: ›Du bist eine verlogene Schlampe!‹, und dann … dann hat er sie übers Geländer gestoßen. Ich hab sie vorbeifallen sehen.«
    Er erinnerte sich daran, wie Tansy Lulas rudernde Arme imitiert hatte, und an den Horror auf ihrem starren Gesicht, während sie das tat. Er steckte das Handy wieder weg, zog sein Notizbuch heraus und setzte an, ein paar Dinge aufzuschreiben.
    Strike kannte unzählige Lügner; er konnte sie förmlich wittern, und er wusste genau, dass Tansy dazugehörte. Was sie gehört haben wollte, konnte sie nicht von ihrer Wohnung aus gehört haben; daraus hatte die Polizei geschlossen, sie habe es gar nicht gehört. Obwohl Strike bis zu diesem Augenblick lediglich mit Hinweisen auf einen Selbstmord Lula Landrys konfrontiert worden war, war er entgegen allen Erwartungen davon überzeugt, Tansy Bestigui glaube wirklich, vor Landrys Sturz einen Streit gehört zu haben. Es war der einzige Teil ihrer Geschichte gewesen, der echt geklungen und eine Authentizität beinhaltet hatte, die ein grelles Schlaglicht auf die Lügen warf, mit denen sie den Rest ihrer Story ausgeschmückt hatte.
    Er stieß sich von der Mauer ab und ging auf der Grosvenor Street nach Osten weiter; ein wenig aufmerksamer, was den Verkehr betraf, aber innerlich damit beschäftigt, sich Tansys Mienenspiel ins Gedächtnis zu rufen, ihren Tonfall, ihre Manierismen, als sie von Lulas letzten Augenblicken gesprochen hatte.
    Wieso hatte sie im entscheidenden Punkt die Wahrheit gesagt, sie aber mit leicht zu widerlegenden Unwahrheiten garniert? Wieso hatte sie gelogen, als sie schilderte, was sie getan hatte, als sie das Geschrei von oben gehört hatte? Strike erinnerte sich an Adler: »Eine Lüge hätte keinen Sinn, wenn man die Wahrheit nicht als gefährlich empfinden würde.« Tansy war heute da gewesen, um einen letzten Versuch zu wagen, jemanden zu finden, der ihr glauben und zugleich die Lügen schlucken würde, mit denen sie ihre Aussage verbrämte.
    Er ging schnell, nahm das Stechen unter dem rechten Knie kaum wahr, bis ihm klar wurde, dass er die Maddox Street entlanggegangen und auf der Regent Street herausgekommen war. Die in einiger Entfernung flatternden roten Markisen von Hamley’s Toy Shop erinnerten Strike daran, dass er auf dem Rückweg ins Büro ein Geburtstagsgeschenk für seinen Neffen hatte kaufen wollen.
    Den bunten, quietschenden, blitzenden Mahlstrom, in den er geriet, nahm er nur undeutlich wahr. Er hastete blind von Stockwerk zu Stockwerk, ohne sich um das Gekreisch, das Surren fliegender Modellhubschrauber und das Grunzen mechanischer Schweine zu kümmern, die seinen

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