Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
Vom Netzwerk:
von Papieren den flüchtigen Schatten eines Mörders zu erhaschen, doch stattdessen war daraus Lulas Seele aufgestiegen, die, wie es bei Opfern von Gewaltverbrechen bisweilen geschah, ihn über die Trümmer ihres zerstörten Lebens hinweg anblickte.
    Erst jetzt begriff er wirklich, warum John Bristow darauf beharrte, dass seine Schwester sich nicht mit Selbstmordgedanken getragen habe. Die Worte, die er vor sich sah, erweckten eindeutig den Eindruck, von einer warmherzigen Freundin getippt worden zu sein, gesellig, impulsiv, vielbeschäftigt und froh darüber; von einem Mädchen, dem sein Job großen Spaß bereitete und das sich, genau wie Bristow behauptet hatte, unbändig auf die bevorstehende Reise nach Marokko freute.
    Die meisten ihrer E-Mails waren an den Designer Guy Somé gerichtet. Interessant waren daran lediglich der fröhlich-vertraute Tonfall und der – einmalige – Verweis auf ihre höchst ungewöhnliche Freundschaft:
    Geegee, kannst du bittebittebitte was für Rochelle zu ihrem Geburtstag machen, bittebitte? Ich bezahl es dir auch. Was Hübsches (sei nicht gemein)! Bis zum 21. Februar? Bittebitte! Hdl Cuckoo
    Strike musste an die Behauptung auf LulaMyInspirationForeva denken, dass Lula Guy Somé »wie einen Bruder« geliebt habe. Seine Zeugenaussage war die kürzeste im ganzen Ordner. Er war in der Woche zuvor in Japan gewesen und erst am Abend von Lula Landrys Tod nach London zurückgekehrt. Strike wusste zwar, dass Somé problemlos zu Fuß von seinem Haus in die Kentigern Gardens spazieren konnte, aber offenbar hatte sich die Polizei mit seiner Versicherung, er sei nach seiner Rückkehr sofort zu Bett gegangen, zufriedengegeben. Strike hatte sich bereits einen Vermerk gemacht, dass niemand, der von der Charles Street aus in die Kentigern Gardens kam, von der Überwachungskamera an der Alderbrook Road erfasst würde.
    Schließlich klappte Strike die Akte zu. Zu müde, um noch einen einzigen klaren Gedanken fassen zu können, humpelte er in sein Büro, zog sich aus, schnallte die Prothese ab und klappte seine Campingliege auf. Nur wenig später war er eingeschlafen, in den Schlaf gewiegt vom Summen des Verkehrs, dem Trommeln des Regens und dem unsterblichen Atem der Stadt.

2
    Vor Lucys Haus in Bromley stand eine riesige Magnolie. Später im Frühjahr würde sie über dem Rasen vor dem Haus ihre Blütenblätter abwerfen, die wie zerknitterte Taschentücher aussehen würden; doch jetzt, Anfang April, erhob sich der Baum in einer weiß schäumenden Wolke, und die Blütenblätter glänzten wächsern wie Kokosnussspäne. Strike war bislang nicht allzu häufig hier gewesen, weil Lucy in ihrem Zuhause immer irgendwie gehetzt wirkte und er womöglich seinem Schwager begegnete, für den er bestenfalls lauwarme Gefühle hegte.
    An das Tor waren heliumgefüllte Ballons geknotet, die in der leichten Brise hin und her schaukelten. Während Strike, das von Robin verpackte Geschenk unter den Arm geklemmt, den steilen Fußweg zur Haustür beschritt, redete er sich zu, dass er es bald überstanden hätte.
    »Wo ist Charlotte?«, erkundigte sich Lucy, klein, blond und rundgesichtig, kaum dass sie ihm die Tür geöffnet hatte.
    Im Flur hinter ihr schwebten weitere Goldfolienballons, diesmal in der Form einer Sieben. Aus einem nicht einsehbaren Bereich des Hauses ertönten Schreie, die auf Begeisterung oder aber grausame Schmerzen schließen ließen und den vorstädtischen Frieden störten.
    »Sie musste übers Wochenende wieder nach Ayr fahren«, log Strike.
    »Weshalb das denn?« Lucy trat beiseite, um ihn einzulassen.
    »Ihre Schwester hat mal wieder eine Krise. Wo ist Jack?«
    »Sie sind alle hinten. Gott sei Dank hat es aufgehört zu regnen, sonst hätten wir hier drinnen feiern müssen«, sagte Lucy, während sie ihn in den Garten hinter dem Haus führte.
    Seine drei Neffen waren gerade damit beschäftigt, mit zwanzig handverlesenen, fein gekleideten Jungen und Mädchen über den weitläufigen Rasen zu toben und laut kreischend einen Parcours zu durchlaufen, bei dem man anscheinend zu verschiedenen Kricketstäben mit aufgeklebten Fotos unterschiedlicher Obstsorten rennen musste. Ein paar zur Unterstützung gekommene Eltern standen im fahlen Sonnenschein und tranken Wein aus Plastikbechern, während Lucys Mann Greg hinter einem Tapeziertisch Posten bezogen hatte und einen iPod in einer Dockingstation bediente. Lucy reichte Strike ein Bier und rannte praktisch im selben Moment los, um den jüngsten ihrer drei

Weitere Kostenlose Bücher