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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
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Söhne in die Arme zu nehmen, der schmerzhaft gestürzt war und jetzt aus Leibeskräften heulte.
    Strike hatte sich nie Kinder gewünscht; das gehörte zu den wenigen Dingen, in denen er und Charlotte immer einer Meinung gewesen waren, und es war einer der Gründe, warum andere Beziehungen im Lauf der Jahre gescheitert waren. Lucy missbilligte seine Einstellung und die Argumente, die er dafür vorbrachte; überhaupt reagierte sie stets unwirsch, wenn er andere Lebensziele als ihre eigenen formulierte, als würde er damit ihr Lebensmodell infrage stellen.
    »Alles klar, Corm?«, fragte Greg, nachdem er die Verantwortung für die Musikanlage einem anderen Vater anvertraut hatte. Strikes Schwager war ein Bauingenieur, der nie recht wusste, welchen Ton er Strike gegenüber anschlagen sollte, und sich gewöhnlich für eine Mischung aus Ruppigkeit und Aggressivität entschied, die Strike als höchst unangenehm empfand. »Wo hast du deine bessere Hälfte gelassen? Ihr habt euch doch nicht schon wieder getrennt, oder? Hahaha, da komm ich echt nicht mehr mit.«
    Ein kleines Mädchen war umgerannt worden. Greg eilte hinüber, um einer der anderen Mütter im Kampf gegen neuerliche Tränen und Grasflecken beizustehen. Das Spiel artete allmählich in Chaos aus. Also wurde ein Sieger gekürt; daraufhin vergoss der Zweitplatzierte weitere Tränen und musste mit einem Trostpreis aus dem schwarzen Müllsack neben dem Hortensienstrauch besänftigt werden. Dann wurde zum zweiten Durchgang desselben Spiels aufgerufen.
    »Aber hallo«, sagte eine mittelalte Matrone, die sich unauffällig an Strike herangepirscht hatte. »Sie sind bestimmt Lucys Bruder.«
    »Richtig«, sagte er.
    »Wir haben das von Ihrem armen Bein gehört«, sagte sie und starrte dabei auf seine Schuhe. »Lucy hat uns auf dem Laufenden gehalten. Ehrlich, man sieht es Ihnen überhaupt nicht an! Sie haben nicht im Geringsten gehinkt, als Sie gerade ankamen. Es ist doch fantastisch, was man heutzutage alles machen kann. Wahrscheinlich können Sie jetzt schneller rennen als zuvor!«
    Womöglich stellte sie sich vor, dass Strike unter seiner Hose eine klingenförmige Kohlenstofffaserprothese trug wie ein Paralympionike. Er nahm einen Schluck Bier und rang sich ein freudloses Lächeln ab.
    »Stimmt es denn?«, fragte sie dann und sah ihn mit großen Augen und unverhohlener Neugier an. »Sind Sie wirklich Jonny Rokebys Sohn?«
    Ein Geduldsfaden, der offenbar stärker gespannt gewesen war, als Strike geahnt hatte, riss.
    »Scheiße, woher soll ich das wissen?«, fragte er. »Warum rufen Sie ihn nicht an und fragen?«
    Sie starrte ihn fassungslos an. Nach ein paar Sekunden marschierte sie ohne ein weiteres Wort davon. Er sah sie mit einer anderen Frau reden, die daraufhin verstohlen in Strikes Richtung blickte. Das nächste Kind ging zu Boden, krachte mit dem Kopf gegen einen Kricketstab, der mit einer riesigen Erdbeere verziert war, und begann, gellend zu schreien. Während sich alles auf das jüngste Unfallopfer konzentrierte, nutzte Strike die Gunst des Augenblicks und verzog sich ins Haus.
    Das Wohnzimmer wirkte mit seiner dreiteiligen sandfarbenen Sitzgruppe, dem impressionistischen Druck über dem Kaminsims und den im Regal aufgereihten gerahmten Fotos seiner drei Neffen in flaschengrünen Schuluniformen so gemütlich wie uninspiriert. Strike schloss behutsam die Tür und sperrte so den Lärm aus dem Garten aus, zog aus seiner Tasche die DVD , die Wardle ihm geschickt hatte, schob sie in den DVD -Player und schaltete den Fernseher ein.
    Auf dem Fernseher stand ein Foto, das bei Lucys Dreißigstem aufgenommen worden war. Ihr Vater Rick war in Begleitung seiner zweiten Frau gekommen. Strike war im Hintergrund postiert worden, so wie bei jedem Gruppenbild, seit er fünf Jahre alt gewesen war. Damals hatte er noch beide Beine besessen. Neben ihm stand Tracey, eine Kollegin von der SIB , die Lucy allzu gern als seine Ehefrau gesehen hätte. Tracey hatte inzwischen einen gemeinsamen Freund geheiratet und war seit Kurzem Mutter einer Tochter. Strike hatte eigentlich Blumen schicken wollen, war aber dann nicht dazu gekommen.
    Er senkte den Blick auf den Bildschirm und drückte auf Start.
    Die körnigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen setzten sofort ein. Eine weiße Straße, fette Schneeflocken, die vor dem Auge der Kamera vorbeitrieben. Der 180-Grad-Winkel zeigte die Kreuzung von Bellamy und Alderbrook Road.
    Ein Mann kam von rechts ins Bild; groß, die Hände tief in den Taschen, dick

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