Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
genannt und aufgelegt hatte, griff Strike nach seinen Zigaretten. Eine Weile blieb er noch liegen und rauchte, betrachtete dabei die Muster, die das Sonnenlicht an die Decke malte, wenn es durch die Lamellen der Jalousie drang, und genoss die Stille und Einsamkeit, in der weder Kinder kreischten noch Lucy versuchte, ihn über das Krakeelen ihres Jüngsten hinweg auszuhorchen. Als er die Zigarette ausdrückte, aufstand und sich anzog, um wie üblich im Studentenwerk duschen zu gehen, hatte er sein friedliches Büro beinahe gern.
Nach mehreren Anläufen erreichte er Derrick Wilson schließlich am späten Sonntagabend.
»Diese Woche geht’s nicht«, sagte er. »Mr. Bestigui ist zurzeit oft zu Hause. Ich muss an meinen Job denken, das verstehen Sie doch? Ich ruf Sie an, wenn’s passt, in Ordnung?«
Strike hörte ein Summen im Hintergrund.
»Sind Sie gerade im Dienst?«, fragte Strike eilig, ehe sein Gegenüber auflegen konnte.
Er hörte Wilson vom Hörer weg sagen: » Einfach hier eintragen, Kumpel … Wieso?«, fragte er gleich darauf ins Telefon.
»Falls Sie gerade arbeiten, könnten Sie vielleicht das Besucherbuch nach dem Namen einer Freundin durchsuchen, die Lula manchmal besucht hat?«
»Welche Freundin?«, fragte Wilson. » Alles klar, yeah, bis dann. «
»Es geht um die junge Frau, von der Kieran erzählt hat; die Freundin aus der Therapie. Rochelle. Ich bräuchte ihren Nachnamen.«
»Ach die, ja«, sagte Wilson. »Yeah, ich seh nach und ruf …«
»Könnten Sie gleich nachsehen?«
Er hörte Wilson seufzen.
»Klar, schon gut. Einen Augenblick.«
Nicht identifizierbare Bewegungsgeräusche, ein leises Klatschen und Schieben, gefolgt vom Rascheln umgeblätterter Seiten. Während Strike wartete, studierte er mehrere von Guy Somé entworfene Kleidungsstücke, die er auf seinem Computerbildschirm arrangiert hatte.
»Ja, da ist sie«, sagte Wilsons Stimme in seinem Ohr. »Sie heißt Rochelle … Das ist praktisch nicht zu entziffern … Onifade, würd ich meinen.«
»Können Sie das buchstabieren?«
Wilson tat wie geheißen, und Strike schrieb mit.
»Wann war sie das letzte Mal da?«
»Anfang November. Yeah, schönen Abend. Ich muss jetzt Schluss machen.«
Während Strike ihm noch dankte, hatte Wilson bereits aufgelegt. Dann widmete sich der Detektiv wieder seiner Dose Bier und der Betrachtung der Art zeitgenössischer Alltagskleidung, wie sie Guy Somé vorschwebte, im Besonderen einer Reißverschlussjacke mit Kapuze und stilisiertem goldgesticktem »GS« oben links. Das Logo prangte deutlich sichtbar auf sämtlichen Kleidungsstücken der sogenannten »Streetwear«. Strike war sich nicht ganz sicher, wie der Begriff »Streetwear« zu verstehen war; so wie er es sah, sollten doch alle Kleidungsstücke so beschaffen sein, dass sie auf der Straße getragen werden konnten; was immer er aber sonst noch bedeuten mochte, auf jeden Fall stand er für »billiger«. Denn die zweite Kollektion auf der Webseite, schlicht »Guy Somé« benannt, enthielt Stücke, die fast ausnahmslos mehrere tausend Pfund kosteten. Zu dumm, dass sich der Designer dieser weinroten Anzüge, dieser bleistiftdünnen Strickkrawatten, dieser mit winzigen Spiegelpailletten bestickten Minikleider und dieser Leder-Fedoras trotz Robins unermüdlicher Bemühungen weiterhin taub gegenüber allen Bitten stellte, ein paar Fragen über den Tod seines Lieblingsmodels zu beantworten.
4
Du glaubs wohl ich tu dir nix du blöder Wixer aber da täuschs du dich, ich lass nicht locker ich hab dir vertraut und du hast mich blos verarscht. Ich reis dir den verschissenen schwanz ab und stopf ihn dir in den hals. Wenn ich fertig mit dir bin hast du deinen eigenen schwanz im maul und deine eigene Mutter wird dich nich mehr erkennen ich mach dich alle Strike du stück scheiße
»Schöner Tag heute.«
»Würden Sie das bitte lesen? Bitte?«
Es war Montagmorgen, und Strike war gerade von einer Rauchpause auf der sonnigen Straße und einem kurzen Schwatz mit der Frau aus dem Plattenladen gegenüber zurückgekehrt. Robin trug ihr Haar wieder offen; allem Anschein nach hatte sie heute kein Vorstellungsgespräch. Diese Schlussfolgerung, zusammen mit den Sonnenstrahlen nach dem langen Regen, ließ Strikes Laune erheblich steigen. Robin hingegen stand sichtlich angespannt hinter ihrem Schreibtisch und streckte ihm ein rosafarbenes Blatt Papier hin, das wie sonst auch mit kleinen Kätzchen bedruckt war.
»Er kann es nicht lassen, was?«
Strike nahm den Brief
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