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Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Lewis
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lagen. Ein Junge sah so schmal aus, so spindeldürr. In seinem Arm endete ein langer Plastikschlauch, der mit einem großen Beutel mit klarer Flüssigkeit verbunden war, der über seinem Kopf hing. Der Junge sah so aus, als würde er fest schlafen, fast so, als sei er tot. Jenseits der Bettreihen war eine Tür zu sehen, die ins helle Sonnenlicht führte.
    »Bisschen voll da drin«, meinte Rob. »Die haben wohl nicht genügend Betten.«
    »Das ist wie hier in Schottland«, sagte Euan. »Die Operation meiner Oma musste dreimal abgeblasen werden, weil es nicht genug Betten gab.«
    Rob verzog das Gesicht. »Igitt! Stellt euch vor, ihr müsstet ein Bett mit eurer Oma teilen!«
    Euan schauderte. »Ich glaub, ich würde eher sterben.«
    Ich schob Euan weg, um Jeneba besser sehen zu können. »Was, glaubt ihr, ist mit ihren Beinen passiert?«, fragte ich.
    Euan zuckte mit der Schulter.
    »Krokodile«, mutmaßte Rob.
    »Was?«
    »Ich wette, dass sie von einem Krokodil gebissen wurde«, sagte Rob. Er schnappte die Hände zusammen. »Da unten passiert so was die ganze Zeit. Hab ich im Fernsehen gesehen.In der einen Minute wird sie noch im Fluss geplanscht haben und in der nächsten … mampfmampf.«
    »Das weißt du doch gar nicht«, gab ich zurück.
    »Ich wette mit dir um alles in der Welt, dass das ein Krokodil war«, sagte er. Er beugte sich nach vorn und begann auf dem Computer eine Mail zu schreiben.

    Von: Callum, Rob und Euan
Gesendet: 11. Oktober, 18:50 WEZ

    Betreff: Krokodil

    Hi Jeneba!
Ich bin Rob, einer von Callums Freunden.

    Hat Dich ein Krokodil in die Beine gebissen? Ich habe eine Fernsehsendung gesehen, wo ein Mann einem Krokodil entkommen ist, weil er ihm einen Stock ins Auge gestoßen hat. Wie hast Du das gemacht?

    Danke, dass Du Iris gerettet hast.

    Grüße von Rob
    »Das kannst du nicht senden«, warnte ich ihn.
    Rob klickte auf ›Senden/Empfangen‹ und grinste. »Hab ich schon.«

Kapitel 31

    Von: Jeneba Kah
Gesendet: 12. Oktober, 21:30 WEZ

    Betreff: Iris

    Hallo Callum!
Sag Rob, dass ich mit keinem Krokodil gekämpft habe, aber ich werde dran denken, ihm ins Auge zu stechen, wenn es so weit ist.
Ich bin im Krankenhaus, weil ich von einem Lkw angefahren wurde. In der Regenzeit ist er im Schlamm ins Schleudern geraten und ich habe meine Beine gebrochen. Jetzt liege ich im Gips und warte darauf, dass sie wieder heilen.

    Zwar vermisse ich mein Dorf, aber so schlecht ist es hier im Krankenhaus nicht. Ich habe mich mit den Kindern angefreundet, die neu auf die Station gekommen sind. Ich tue so, als ob ich ein Doktor bin, und versuche zu erraten, was sie für Krankheiten haben. Am Abend sitzt Max an meinem Bett und zeigt mir Bilderaus seinen medizinischen Lehrbüchern. Er weiß, dass ich eines Tages eine Ärztin sein möchte. Er sagt aber, er hoffe, ich würde nicht so furchterregend sein wie Mama Binta.

    Mariama hat mir heute ein paar Schulaufgaben gebracht und Chicken Yassa, also hatte ich doppelt Glück. Chicken Yassa ist ihr ganz spezielles Rezept und mein Lieblingsessen. Als ich klein war und meine Mutter gestorben war, hat sie sich mit um mich gekümmert, aber sie ist auch unsere Lehrerin. Ich habe gerade eine Stunde Mathe mit ihr gemacht. Es hat so Spaß gemacht. Dass ich die Schule versäume, ist das Schlimmste am Aufenthalt im Krankenhaus.

    Max hat ein paar Fotos von meinem Dorf gemacht, um sie Dir zu senden. Hoffentlich magst Du das eine mit dem Fisch, den mein kleiner Bruder für Iris gefangen hat.

    Wie ist es so in Schottland? Max sagt, dass es dort kalt und nass ist und dass die Menschen nur etwas essen, das man Haggis nennt.
    Was ist Haggis überhaupt?

    Ich werde Dir jeden Tag von Iris berichten.

    Deine Freundin Jeneba
    Am nächsten Morgen in der Schule zeigte ich Rob und Euan die E-Mail und die Fotos.
    »Sie ist verrückt«, sagte Rob. »Ich würde mir die Beine nur brechen, damit ich nicht in die Schule müsste.«
    »Also, das nenn ich einen Fisch«, sagte Euan. »Stellt euch vor, so einen zu fangen!«
    Auf dem Foto war ein Junge zu sehen, nicht älter als sieben, acht Jahre, der einen langen, silbrig glänzenden Fisch in die Höhe hielt. Der Junge musste auf Zehenspitzen stehen, damit der Schwanz nicht den Boden berührte.
    Ich klickte die anderen Bilder an, die Max von Jenebas Dorf gemacht hatte. Da standen viele kleine, runde Hütten und rote Backsteinbauten, die um ein offenes Gehege herum angeordnet waren. Der Himmel war tiefblau und die Erde rostrot, trocken und staubig. Unter

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