Der Ruf des Satyrs
gefährlich!«, argumentierte Bastian mit kühler Bestimmtheit. »Was, wenn der Rat herausfindet, dass sie von Satyrblut ist und du ihr Unterschlupf gewährt hast?«
»Dazu wird es nicht kommen!«, entgegnete Dane.
»Ah ja? Und doch hast du ihr Geheimnis in nur ein paar Tagen entdeckt! Was ist, wenn sie irgendwann einmal krank wird? Oder wenn sie von dir schwanger wird und sich dann jeden Morgen übergeben muss, wie es bei manchen Frauen eben vorkommt? Ihre Pülverchen werden eine schöne Hilfe sein, wenn sie sie nicht bei sich behalten kann. Du wirst nicht geheim halten können, was sie ist! Sie könnte deine Chancen, Luc zu finden, zunichtemachen. Oder dazu führen, dass du wieder eingesperrt wirst.«
»Ich werde nicht zulassen, dass man sie in irgendein Labor sperrt und wie ein verdammtes Tier studiert!«, explodierte Dane. »Ich selbst habe für den Rest meines Lebens genug von derlei Ärzten.«
»Du hast doch nicht vor, sie hierzubehalten?«
»Doch, genau das. Sie wird die Pulver nicht für immer brauchen. Eine Anderweltfrau nimmt mit der Zeit den Duft ihres Partners an. Mein Duft wird bald verbergen, was sie ist.«
»Das ist es, was du dir erhoffst. Aber woher willst du wissen, dass es bei ihr funktioniert? Sie ist ein noch nie da gewesenes Phänomen. Nichts von dem, was üblicherweise geschieht, muss auch bei ihr geschehen.« Bastians Ton wurde leiser, und er legte all seine Überredungskunst hinein. »Der Rat will dich zurück, Dane – unbedingt! Du bist ein hochgeschätzter Tracker. Und du hast selbst gesagt, wenn der Rat dich hier findet, wird man dich nur dann hierlassen, wenn du dich an seine Anweisung gehalten hast, eine menschliche Frau zu heiraten und zu schwängern.«
Bestürzt presste Eva eine Hand auf ihren Mund. Dane war ohne Genehmigung durch das Portal gekommen? Das hatte sie nicht gewusst. Dadurch wurde ihre Position hier nur umso unhaltbarer.
»Ich werde Eva heiraten, zur Hölle mit den Konsequenzen!«
»Neunzigtausend verdammte Höllen, Dane! Sei doch vernünftig! Ich will dich nicht noch einmal verlieren. Das ist keine Frau wert!« Das Geräusch einer Faust, die auf eine harte Oberfläche krachte, unterstrich Bastians eindringliche Äußerung.
Hinter sich hörte Eva, wie Mimi und Lena die Treppe heruntergehüpft kamen. Sie drehte sich um, legte einen Finger auf die Lippen, damit die beiden leise waren, und bedeutete ihnen dann, ihr voran zur Küche zu gehen. Inzwischen trugen sie beide wieder eigene Kleider. Direkt nach Sonnenaufgang hatte Pinot Danes Brüder aus den Betten gescheucht und ihnen alles erzählt, was geschehen war. Daraufhin hatten die drei Männer sich zu Evas Stadthaus begeben, um nach Odette zu suchen. Sie hatten sie nicht gefunden, doch Bastian war danach hergekommen und hatte einen Koffer mit Kleidern von Eva und den Mädchen gebracht, während Sevin und Pinot ihre Suche nach Odette fortgesetzt hatten.
Gebadet und angekleidet, war Eva gerade eben auf dem Weg nach unten gewesen, um Dane zu suchen. Doch die warmen Erinnerungen an ihre gemeinsame Nacht, die noch immer in ihrem Kopf tanzten, wichen durch den Streit der Brüder schnell der kalten Realität.
Sie nahm Mimi und Lena an den Händen, und zu dritt gingen sie die Treppe hinab, fanden auf der Anrichte einen Korb mit Brötchen und Tee und huschten dann zur Hintertür hinaus. Bastian hatte recht. Ihre Anwesenheit hier brachte Dane und seine Familie in Gefahr. Sie musste gehen, doch noch konnte sie den Gedanken daran nicht ertragen. Zuerst würde sie sich mit den Kindern ein wenig draußen umsehen. Sie wollte ihre Oliven finden und später einen Zukunftsplan schmieden.
Im vorderen Salon hatte Dane langsam genug von den Vorhaltungen seines Bruders und machte eine abwehrende Handbewegung. »Genug! Es gibt noch etwas, wobei ich deinen Sachverstand brauche. Vielleicht kannst du mir dabei eher helfen als bisher mit deinen dummen Befehlen.« Unbeeindruckt von Bastians finsterem Blick fuhr er fort: »Letzte Nacht habe ich Eva als Daniel angesprochen, die dritte Persönlichkeit, auf die wir in Sevins Salon getroffen waren.«
Bastians Blick wurde schärfer. »Und?«
»Und ich – also Daniel – sagte: ›Bona Dea. Sag es ihm.‹ Bona Dea war eine Göttin. So viel weiß ich. Doch wie lautet die Botschaft, die ich daraus entnehmen soll?«
Mit einem besorgten Stirnrunzeln ging Bastian durch, was er wusste. »Dem Kult der Bona Dea kam im alten Rom eine große Bedeutung zu, doch die mit ihrer Verehrung verbundenen
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