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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Vollmondnächten brauchte, klarzumachen, also versuchte Eva es gar nicht erst. Sie stand auf und ließ sich von Odette trocken reiben.
    »Musste vorsichtig sein! Wenn die rausfinden, dass du ’n Satyr bist, dann jagen se dich«, fuhr Odette fort. »Schlimme Leute da draußen. Mädels gehen verloren. Ich hör so Sachen auf’m Markt.«
    Mit jedem Tag, der verging, wurde die Last von Odettes Erwartungen und Sorgen drückender. Letzte Nacht hatte Eva Freiheit mit Dane gekostet. Sie wollte mehr davon. Der Wunsch, sich von den alten Versprechen zu befreien, die sie als Kind zwei verbitterten einsamen Frauen gegeben hatte, nagte an ihr, doch sie schlüpfte nur in den Morgenrock, den Odette für sie bereithielt, und trat ans Fenster. »Wo sind die Mädchen?«
    »Im Musikunterricht«, antwortete Odette.
    Eva nickte. Sie suchte ein Ventil für ihre Frustration, und als ihr Blick auf Fantines Tagebuch fiel, hatte sie es gefunden. Die Frage ihrer Herkunft plagte sie noch immer, also würde sie sich auf weitere Nachforschungen konzentrieren. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, schrieb eine Notiz und reichte sie Odette. »Lass Pinot das überbringen, und sag ihm, er soll auf Antwort warten!«
    Als sie den Namen auf dem Brief sah, brummelte Odette etwas über einen Hund mit Knochen, aber sie tat, wie ihr geheißen. Und noch am selben Nachmittag, nachdem sie eine Antwort auf ihren Brief erhalten hatte, befand Eva sich auf dem Kapitolinischen Hügel am nordwestlichen Ende des Forums.
    Dort erwartete der zweite Mann auf der Liste ihrer Mutter sie. Er stand im Schatten des massiven Triumphbogens aus weißem Marmor, der dem römischen Kaiser Septimius Severus gewidmet war. Der venezianische Maler Canaletto hatte den Bogen vor fast einhundertfünfzig Jahren in Öl gemalt, als er noch halb im Sediment begraben war, bevor die Ausgrabung des Forums ernsthaft begonnen hatte.
    Eva umrundete den Bogen, denn sie wollte, dass der Fremde die Sonne im Gesicht hatte, nicht sie. Odette hatte sie begleitet und wartete nun in Sichtweite an einem schattigen Plätzchen in der Nähe.
    »Signor Arturo?«, rief Eva leise.
    »Si?«
Der elegante grauhaarige Herr drehte sich zu ihr um. Seine Augen waren grün, so wie ihre. Und war auch seine Braue ähnlich geschwungen wie ihre? Hoffnung stieg in ihr auf. War er ein Satyr? War er ihr Vater? Und wenn es so war, würde er etwas davon zugeben?
    »Ich habe mir so sehr gewünscht, Sie zu treffen!«, erklärte sie, und ihre Aufregung wuchs noch an, als sie auf ihn zuging.
    »Sie sind die Absenderin des Briefes?« Er schnippte Asche von seiner Zigarre, und der goldene Ring an seinem kleinen Finger blinkte im Sonnenlicht.
    Sie nickte. »Wie ich schon erwähnte, glaube ich, dass wir eine gemeinsame Bekannte haben.«
    »Oh?«
    »Fantine Delacorte.« Eva hielt den Atem an, wartete, hoffte.
    Seine Brauen hoben sich, als er sich erinnerte. »Na, das ist ja ein Name, den ich schon viel zu lange nicht mehr gehört habe«, sagte er langsam. Daraufhin trat sie ins Licht, damit er sie betrachten konnte. Als er den Blick auf ihr Gesicht richtete, erkannte sie den Schock in seinen Augen. Seine Aura erbleichte nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor sein Gesicht bleich wurde – die Zeit, die sein Verstand länger für die Erkenntnis brauchte als seine Seele. Er trat näher. »Wer sind Sie?«
    »Fantines Tochter. Und Ihre.«
    Er lachte in sich hinein und nahm einen langen Zug von seiner Zigarre. »Das glaube ich kaum.«
    »Was waren Sie für meine
Maman?
«
    »Eine Zeitlang ihr Geldgeber. Ihr Bewunderer. Niemals ihr Liebhaber – nicht, dass ich es nicht versucht hätte. Ich habe sie fast ein Jahr lang umworben, doch es führte zu nichts.« Ein versonnener Ausdruck trat in seinen Blick. Er schnippte wieder Asche weg. »Sie hatte so eine Art an sich, Ihre Mutter. Sie sind schön – wie sie.«
    Evas Hände wanderten in ihr Haar. »Sie war blond …«
    »Und berüchtigt dafür, dass sie allen gern schöne Augen machte. Aber Ihr Gesicht, Ihre Figur – ist die gleiche wie bei ihr. Also, worauf sind Sie aus, Signorina? Geld? Davon habe ich reichlich, für ein hübsches Mädchen, das interessiert ist.«
    »Interessiert woran?«, fragte sie verblüfft.
    Eine abstoßende Gier loderte in ihm auf und tönte seine Aura in widerliche Farben. »Daran, sich das Geld auf dem Rücken zu verdienen, in meinem Bett.«
    Eva erstarrte angewidert. »Sie sind alt genug, um mein Vater zu sein, Monsieur!«
    Seine grünen Augen wurden schmal, während

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