Der Ruf des Satyrs
Stil war in Bernsteinfarben und Rostbraun gehalten und beinhaltete mindestens zwei Dutzend Büsten und ausgewählte Gemälde, die direkt aus den Ruinen des Forums selbst stammten. In Regalen, die in eine Wand gebaut waren, standen ordentlich aufgestapelt Tiegel, Flakons und kleine Schachteln, alle mit ähnlichen Etiketten versehen.
»Carmen, endlich!«
Carmen breitete die Arme weit aus und begrüßte die anderen Frauen ausgelassen. »Anna! Leona! Magda! Cecile!« Sie küsste eine nach der anderen auf beide Wangen.
»Endlich können wir anfangen!«, stellte Leona fest und begann damit, sechs goldene Kelche mit Wein aus einer Flasche zu füllen. Und danach noch einen siebten, silbernen Kelch aus einer anderen Flasche.
»Ich kann nichts dafür, dass ich spät dran bin«, rechtfertigte Carmen sich und ließ sich auf einem Stuhl nieder. »Aber ihr werdet mir sicher verzeihen, wenn ihr seht, was ich mitgebracht habe: eine junge Dame, die uns bei unserer guten Arbeit helfen kann. Tritt vor, Nella, damit alle dich sehen können!«
Unsicher blieb das Mädchen in der Türöffnung stehen.
»Nella hat Sommersprossen, die sie gern loswerden möchte«, erklärte Serafina den anderen. »Wir müssen nur bestimmen, welche unserer Cremes die wirkungsvollste sein könnte.« Sie winkte das Mädchen näher heran. »Komm nur, wir beißen nicht! Wir müssen dich sehen, um das passende Mittel zu finden.«
Zögernd trat Nella ein paar Schritte in den Raum. Als Serafina sah, dass das Mädchen die Erfrischungen auf dem Teewagen beäugte, drängte sie es, nach Herzenslust zuzugreifen. »Hier, du musst unbedingt von den Cannoli probieren, ja? Und, Leona, gib unserem Gast doch etwas Wein!«
Bei diesem Angebot siegte der Hunger über Nellas Vorbehalte. Mit einem Gesichtsausdruck, als wäre sie gestorben und im Paradies gelandet, schlang sie die Süßigkeit und noch drei weitere hinunter und stürzte den angebotenen Wein hinterher. Ihre sechs Gastgeberinnen beobachteten sie derweil und nippten an ihren goldenen Kelchen.
»Ist das die Creme gegen Sommersprossen?«, fragte das Mädchen und deutete mit dem Kopf auf die Tiegel in den Regalen.
»Ja, aber Damen machen niemals Geschäfte, wenn Herren zusehen. Die haben uns lieber als Dekoration denn als Geschäftsfrauen«, belehrte Serafina sie.
Verwirrt zog Nella die Nase kraus.
Serafina stellte ihr Getränk beiseite, und ihre Gefährtinnen taten es ihr gleich. Von einem Stapel im Regal gab sie dem Mädchen einige Stücke aus Samtstoff, jedes etwa so groß wie ein kleines Tischtuch. »Hier, du musst uns helfen,
cara.
«
»Ja, solange sie noch kann«, kicherte Carmen in ihren Kelch. Daraufhin versetzte eine der anderen Frauen ihr einen Knuff in die Rippen, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Sei ein gutes Mädchen, und verhülle damit die anwesenden Männer«, bat Serafina. Als Nella noch immer verwirrt dreinsah, deutete Serafina auf eine Büstenreihe auf ihren Sockeln. »Die Marmorköpfe dort drüben.« Sie machte es vor, indem sie ein Gemälde von Bacchus mit einem weiteren Tuch verhängte. Auch die anderen Damen nahmen dunkle hauchdünne Schleier und bedeckten damit verschiedene Kunstgegenstände.
»Nein, nicht diese hier, meine Liebe. Nur die Männer«, mahnte Serafina, als Nella eine Büste von Diana, der Göttin der Jagd, bedecken wollte.
»Warum?«
»Es ist eine Tradition«, antwortete Carmen.
»Und wann bekomme ich die Creme?«, beharrte Nella.
»Bald. Doch es gibt eine Reihenfolge, in der die Dinge bei solchen Anlässen erledigt werden müssen«, erklärte Serafina, die gerade eine Büste von Cicero verhängte. »Wir haben auch eine neue Behandlungsmethode zur Verlängerung der Wimpern: die Mascara, auch bekannt als Rimmel. Würde dir das gefallen, meine Liebe? Längere Wimpern?«
»Denken Sie, ich brauche sie, Signora?« Das Mädchen strich sich mit einem Finger über die Wimpern, als wollte es deren Dichte prüfen.
»Es kann nicht schaden, nicht wahr? Den Herren gefallen solche Dinge.«
Sobald jede Büste und jedes Gemälde mit einem Mann darauf verhüllt war, verkündete Serafina: »Versammelt euch um sie, meine Damen!«
Daraufhin setzte Nella sich auf das kleine Sofa und ließ ihre Haut behandeln.
»So, hier. Jetzt musst du nur etwas warten, und wenn es Zeit ist, waschen wir die Creme wieder ab«, erklärte Serafina, bevor sie sich den anderen zuwandte. »Gibt es sonst noch irgendwelche Beschwerden?«
Carmen hob ihren Rock etwas an. »Ich habe einen lästigen
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