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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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in die berüchtigt-exotischen Nolands erleben wollten und die lauthals über die zu erwartenden Sensationen mutmaßten, denn der Ausflug war eine »Überraschungsreise«, deren Programm nicht bekanntgegeben wurde.
    Schwer bewaffnete Doppelstreifen liefen mit grimmigen Gesichtern herum und musterten alle mißtrauisch. Die Grenzanlagen wirkten unüberwindlich: acht Meter hohe Betonmauer, davor breite Streifen mit Stacheldrahtgebüsch, dichtem Gestrüpp von hochgiftigen Kobaltpaffern und Sensorminen, über die sich die verchromten Gerüste der Radar-, Sonar- und Sonadarkontrollen erhoben; die breiten, hermetisch schließenden Torflügel aus spiegelndem Stahl sahen wie der Eingang eines Banksafes aus. Smiley grinste, als er Timothys beeindruckte Miene sah.
    »Ein paar hundert Meter weiter kannst du einfach hinüber spazieren«, flüsterte er. »Die Grenze ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Alle wissen es, und alle tun so, als gäbe es das nicht.«
    »Und warum gehen wir nicht da hinüber?«
    »So ist es unauffälliger. Auf die Touristen achtet kaum noch einer. Sie werden in Bussen durch ein paar ausgewählte Straßen gekarrt und dürfen nur an bestimmten Orten aussteigen.«
    Als erstes wurden die Teilnehmer eines »Drei-Tage-Risikotrips« aufgerufen. Ein Dutzend abenteuerlich gekleideter Figuren sammelte sich um den Reiseleiter. Sie blickten sich schweigend an. Einer von ihnen würde die Nolands nicht wieder lebend verlassen, wer? Wahrscheinlich wußte es auch der Reiseleiter zu diesem Zeitpunkt nicht, damit er sich nicht verraten konnte. Die Entscheidung fällte ein Zufallsgenerator, ebenso den Zeitpunkt und die Todesart. Es waren nicht die einzigen Todeskandidaten. Smiley machte Timothy auf ein paar Männer aufmerksam, die einsam und völlig in sich gekehrt in dem Trubel standen, als seien sie allein auf der Welt.
    »Selbstmörder, die ihren Tod noch auskosten wollen«, erklärte Smiley. »Sie werden in irgendeiner Ruine aufeinander losgelassen. Mit der Buchung bekommen sie eine Garantie, daß Überlebende vor Einbruch der Dunkelheit liquidiert werden. Natürlich heißt es anders. In dem Vertrag steht ›Scharfschieß-Lehrgang‹ und ›garantiertes Erreichen des Ausbildungszieles‹. Es gibt Reiseunternehmen, da kannst du unterderhand auch einen Mord buchen; irgendein armes Schwein wird dir dann vor die Waffe getrieben. Es gibt fast nichts, was es in den Nolands nicht gibt.«
    Timothy schüttelte sich. Die Moral des »anything goes«, durch die Chicago schon im 19. Jahrhundert berüchtigt war, schien in den Nolands traurige Rekorde aufzustellen. Als nächstes wurde eine Gruppe aufgerufen, die eines der illegalen Oldsmobile 46 besuchen wollte, der Lautsprecher machte kein Hehl daraus, und die Ordnungshüter taten, als hätten sie nichts gehört. Es waren sieben ausgemergelte, verwitterte, nachlässig gekleidete Gestalten, denen man ansehen konnte, daß sie alle anderen Möglichkeiten des Sinnesrausches schon hinter sich hatten.
    Dann kamen ihre Busse. Bud und Sidney Spencer boxten sich durch und besetzten die erste Reihe eines Obergeschosses, so daß Timothy und Smiley sich nicht in das einsetzende Gedränge werfen mußten. Timothy betrachtete neugierig den rundum verglasten Wagen; er hatte noch nie in einem Rädergefährt gesessen. Die städtischen Busse benutzte nur, wer sich nichts Besseres leisten konnte, und die unterirdischen Metro-, Interurbia- und Transurbiazüge liefen auf Magnetkissen. Der Reiseleiter versicherte über Lautsprecher, daß es keinen Grund gäbe, diesem »etwas ungewöhnlichen Transportmittel« zu mißtrauen.
    »My bus is my castle«, sagte er. »Die Sight-seeing-Busse sind absolut einbruchs-, kugel-, gas- und strahlensicher. Sie werden von zwei voneinander unabhängigen Elektromotoren angetrieben, die Energie liefern zwei autarke Atombatterien. Es kann nichts passieren, selbst wenn man uns unterwegs anhält: Die Tanks enthalten ausreichend erstklassige Luft, und die Bar im hinteren Untergeschoß hat genügend Vorräte, um notfalls drei Tage in relativem Luxus überleben zu können. Also starten wir nach Andyland.«
    Er erklärte mit den üblichen geistlosen Witzeleien, warum die Nolands auch Andyland genannt würden und was unter den verschiedenen Andymen, den Handymen, Candymen und Pandymen, Sandymen, Scandymen, Spandymen und Standymen, unter Vandymen und Wandymen zu verstehen sei. 47
    Die Route führte durch breite, ehemals sicher prächtige, jetzt jedoch verwahrloste, schmutzige Straßen.

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