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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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entdeckte schnell die verabredeten Zeichen. Die zweite Sprengung war vorbereitet und das Depot eingerichtet. Er landete dicht an der Mauer, nahm die Atemmaske ab und sog vorsichtig Luft ein. Auch hier hatte der gestern abend einsetzende Wind den Smog weggefegt. Dafür war es kalt geworden, wahrscheinlich würde in den nächsten Tagen der Winter hereinbrechen.
    Die Staffel der Luftüberwachung kam pünktlich auf die Sekunde. Die Maschinen flogen langsam, kreisten, Schüsse detonierten, es schien zu stimmen, daß die Piloten mit alten Gewehren und Maschinenpistolen jagten. Sobald die Hubjets abgezogen waren, machte Timothy sich auf den Weg. Jetzt hatte er bis morgen früh freie Bahn.
    Es dauerte nicht lange, bis Timothy die Engel sichtete, ein Dutzend Burschen in Lendenschurzen aus Fellen, mit Federn im Haar, Pfeil und Bogen in den Händen, die wie Indianer zwischen den übergrünten Mauerresten herumschlichen, nur daß sie keine kupferbraune Haut und nicht alle langes schwarzes Haar hatten, einige waren aschblond, zwei krausköpfig und von ziemlich schwarzem Teint, außerdem trugen fast alle Bärte. Es sah aus, als hätten sich alte Germanen, Indios und Neger zu gemeinsamer Jagd getroffen; fast jeder schleppte irgendein Tier. Der größte von ihnen mußte, Mauds Beschreibung zufolge, Ted sein. Er war Mitte Zwanzig, trug nur eine blutrote Feder und gab die Kommandos.
    Timothy hielt sich dicht hinter Ted, um ihn bei der ersten Gelegenheit anzusprechen. Ted machte es ihm leicht. Während die anderen im Bunker verschwanden, setzte er sich auf einen Steinbrocken, blickte kurz in die Runde, lehnte sich dann zurück und begann leise und mit geschlossenen Augen zu singen, einen Sprechgesang mit wechselnden Tonhöhen, halb Blues, halb Spiritual. Timothy war tief gerührt. Er wartete einen Augenblick, bevor er sprach. »Milky Instant ist dir gnädig, Ted!«
    Ted sprang auf, griff nach Bogen und Messer, blickte blitzschnell in die Runde, duckte sich hinter den Steinbrocken und spähte dann vorsichtig um die Ecke.
    »Du kannst mich nicht sehen«, sagte Timothy. Er hatte sich für eine feierlich priesterliche Sprechweise entschieden; da Ted den Namen Jesus Christ kannte, hatte er sicher als Kind Gottesdienste besucht. »Ich bin Tiny, der gute Geist von Milky Instant. Sie schickt mich zu dir. Mit einer Botschaft. Wenn du bereit bist, sie zu empfangen, dann lege die Waffe nieder und falte die Hände, so will ich dir erscheinen.«
    Ted sprang auf, blickte verwirrt um sich, legte dann Messer und Bogen auf den Boden und setzte sich, die Hände im Schoß gefaltet. »Wo bist du?«
    »Hier!« Timothy hatte seinen Auftritt sorgsam geplant, hatte mit Hanks Hilfe »Marilyn« ausgerüstet und ein paarmal im Hangar geübt; von der ersten Begegnung hing wahrscheinlich alles ab. Ein Knopfdruck, und die Grenzsphäre des »Laurin« wurde zur Projektionsfläche, auf der sich nun Blumen entfalteten, zuerst in Zeitlupe, dann immer schneller, schließlich eine Explosion aus dem Boden schießender, aufplatzender Blüten, gleichzeitig strömte betäubender Duft aus, und das a-moll-Präludium von Händel erklang. Timothy hatte die Aufnahmen verwandt, die er für Anne komponiert hatte, und er hoffte, daß sie bei Ted ebenso große Wirkung zeigen würden, daß sie ihn an seine Kindheit erinnerten, in der es doch irgendwann einmal Blumen gegeben haben mußte.
    Ted starrte wie gebannt auf die glänzende, sich unaufhörlich wandelnde, farbenprächtige Kugel, die in der Abenddämmerung wie eine Zauberwelt wirken mußte, er atmete tief und sog mit dem Blumenduft ein mildes, euphorisierendes und zugleich beruhigendes Aerosol ein. Timothy war schon aus dem Gerät herausgestiegen, jetzt trat er durch die Projektion und breitete die Arme aus. »Milky Instant segnet dich!«
    Er trug eine Toga, die von Weiß zu Silber und Gold und wieder zu Weiß changierte, hatte die Haut wachsgelb und das Haar silbergrau gefärbt, zeigte nun seine Hände vor, nur kurz, damit Ted nicht doch das flache, fleischfarbene Manual entdeckte; Ted riß Mund und Augen auf, sprang hoch, stieß die Hände vor, als wolle er Timothy packen, Timothy trat in den »Laurin« zurück und schaltete die Projektion aus, Teds Hände blieben in der Luft stehen, er starrte verblüfft in die scheinbar leere Landschaft.
    »Knie nieder!« Timothys Stimme hallte über das Gelände, wurde von einem vielfachen Echo zurückgeworfen, Ted warf sich zu Boden. Timothy haßte, was er tat. Es war jämmerlich, ein so

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