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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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argloses Gemüt mit billigen Effekten zu übertölpeln, aber er hatte keine Wahl, er mußte mit allen Mitteln Teds Gedanken und Gefühle manipulieren, wenn er die Engel retten wollte. Er ließ »Marilyn« steigen; drei Meter über dem Boden schaltete er die Projektion wieder an und beugte sich vor, so daß nur sein Kopf Ted erschien: als Mittelpunkt einer glühenden, funkelnden, von züngelnden Protuberanzen umtosten Sonne.
    »Willst du die Botschaft hören, die Milky Instant dir sendet?« fragte er drohend, der Sprachmodulator verlieh seiner Stimme dröhnenden Baßhall.
    »Die gibt es wirklich«, fragte Ted zu Timothy hinauf.
    »Was dachtest du?«
    »Ich weiß nicht, Paul hat gelacht, wenn wir –«
    »Paul?« donnerte Timothy.
    »Er sagte immer, es gibt keine Götter. – Bist du Gott?«
    »Milky Instant ist es. Und ich bin ihr Prophet. Euch droht Gefahr, sie aber will euch retten. Doch ihr müßt ihr gehorchen!« Ted überlegte eine Weile, dann schüttelte er grinsend den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, wer du bist und wie du das machst, aber daß Milky Instant keine Göttin ist, das weiß ich. Das ist doch nur eine Milchpulverreklame!«
    Timothy überlegte fieberhaft, was er jetzt tun sollte.
    »Wie alt warst du, als man euch in dem Bunker versteckte?« erkundigte er sich.
    »Zwölf. Ich habe eine Schule besucht, ich bin kein Analphabet wie fast alle anderen. Mein Vater war Biologe und hat mir vieles erklärt, auch Paul, bevor er starb – also, wer bist du?«
    »Gibt es noch mehr, die nicht an Milky Instant glauben?« fragte Timothy zurück.
    »Ich weiß nicht. Ein paar vielleicht. Ich spreche nicht darüber. Es macht sie glücklich, und sie brauchen alle Kraft und allen Trost, verstehst du?«
    »Ich verstehe, Ted. Du bist aufgeweckter, als ich dachte. Ich will offen mit dir sprechen, aber laß uns ein Stück weiter weg gehen, damit niemand uns stört, ja?«
    Ted blickte ihn prüfend an, dann nahm er seine Waffen auf und trabte im Laufschritt durch das Gelände; ab und zu vergewisserte er sich, daß Timothys Kopf noch über ihm schwebte. Er führte ihn zu einer Hochhausruine; da die Vorderwand eingestürzt war, konnte Timothy hineinschweben.
    »Versuche bitte nicht, mich anzugreifen«, erklärte er. »Du bist klug genug, um einzusehen, daß ich dir überlegen bin. Ich komme in friedlicher Absicht, du kannst mir vertrauen.«
    Ted legte kommentarlos die Waffen nieder, lehnte sich an eine Wand und verschränkte die Arme über der Brust. Timothy schaltete den »Laurin« ab, so daß Ted das Gerät erblicken und zusehen konnte, wie Timothy landete.
    15.
    Der Lärm der Hubjetstaffel war kaum verklungen, da strömten die Engel aus dem Bunker, ein langer Zug vorwiegend halbwüchsiger Mädchen, die in Fellsäcken Babys auf dem Rücken oder vor der Brust trugen und von Scharen von Kindern umwimmelt wurden. Es mußten sogar über tausend sein. Timothy hatte noch nie so viele kleine Kinder auf einem Haufen gesehen, selbst die größeren Mädchen und Jungen trugen Babys. Zu einem halben Dutzend Müttern und ein paar Dutzend Kindern gehörte immer ein Bursche, der den Weg sicherte und Kinder, die sich von der Gruppe entfernen wollten, mit leisen Zurufen oder zarten Stupsern zurechtwies.
    Timothy wartete unsichtbar unter der Decke der großen Halle nahe der eingestürzten Frontwand. Er bedauerte, daß er keine Kamera mitgebracht hatte, es war ein eigentümlich faszinierendes, rührendes Bild, vor allem überraschte ihn die Stille. Wenn man von dem Husten und Keuchen absah, war kaum ein Laut zu vernehmen, selbst die Babys schienen zu wissen, daß sie keinen Ton von sich geben durften.
    So etwa mußte es einst ausgesehen haben, wenn die Clans der Chirokesen oder Chippewah in ihre Sommerlager zogen; ein Zug kleiner, magerer Gestalten mit übergroßen Augen, hier und da ein Krüppel, fast alle mit aufgeblähten Bäuchen, doch niemand willentlich verunstaltet, keine Amputationen, keine tätowierten Gesichter, keine Ringe in Nasen und Ohren wie sonst bei den Jugendlichen Chicagos. Ted kam als letzter. Er kletterte auf einen Mauervorsprung, so daß er die Menge überragte, und klatschte in die Hände. Alle blickten ihn an.
    »Engel«, sagte er, »Brüder und Schwestern! Heute nacht ist mir ein Geist erschienen, der gute Geist von Milky Instant, und er sprach zu mir. Wir sind in Gefahr. Morgen werden Feinde kommen, in großer Zahl und mit schrecklichen Waffen. Sie wollen unsere Welt vernichten. Kein Engel würde es

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