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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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überleben!«
    Schluchzen klang auf, dumpfes Murmeln breitete sich aus. Ted gebot mit einer Handbewegung Schweigen.
    »Milky Instant will uns retten!« rief er. »Darum hat sie uns ihren Propheten geschickt. Tiny, ich bitte dich, Tiny, erscheine!«
    Gut gemacht, dachte Timothy. Ted wußte, wie er seine Leute anpacken mußte. Die Engel verharrten in gespannter Aufmerksamkeit. Er ließ die Blumenprojektion anlaufen, die Musik erklingen, Duft ausströmen, und als er sich vorbeugte, seinen Oberkörper durch die Blumenbilder steckte und segnend die Arme ausbreitete, sanken die Engel in die Knie und streckten ihm die gefalteten Hände entgegen.
    »Milky Instant segnet euch«, sagte Timothy feierlich, seine Stimme hallte über die Köpfe der Engel und wurde von den Wänden zurückgeworfen. »Milky Instant liebt euch. Ruft sie, so wird sie euch erscheinen.«
    »Milky Instant«, murmelte der Chor, »Milky Instant, erhöre uns.«
    Timothy zog sich zurück und blendete den ersten Werbespot ein. Milky Instants Gesicht strahlte auf ihre schwer atmende Gemeinde herunter, lächelte freundlich, dann wurde sie bis zum Nabel sichtbar, hielt ihre Hände nach vorn, als wollte sie jeden einzelnen an ihre prallen, spitzen Brüste drücken, hatte plötzlich ihr Baby in den Händen, hielt es hoch, ein strammes, jauchzendes Baby, dessen kickerndes Lachen durch den Raum hallte, drückte das Kind an die Brust, küßte es, warf einen Kußmund über die Menge, nickte lachend und verschwand. Timothy ließ den Engeln eine halbe Minute Zeit, bevor er ihnen als Sonnenmittelpunkt erschien.
    »Milky Instant verheißt euch ein Land, in dem ihr ohne Angst und Schrecken leben könnt, wo niemand euch verfolgt, wo ihr laut sprechen und wo eure Kinder laut lachen dürfen, wo es Blumen und Bäume gibt, Essen und Trinken im Überfluß, Spielzeug und Kleidung. Milky Instant ruft euch in ihr Paradies!« Er blendete einen Zusammenschnitt aus den Werbespots ein, und jetzt hörten die Engel zum ersten Mal ihre blonde Milchpulvermadonna. »Ja, Milky Instant ist gut. Auf Milky Instant kann jeder vertrauen. Es gibt nichts Besseres auf der Welt als Milky Instant. Vertraut Milky Instant, und ihr werdet es nie bereuen.«
    »Wir vertrauen dir, Milky Instant«, rief Ted, und der Chor der Engel wiederholte es.
    »Milky Instant, wir folgen dir«, schrie Ted, und alle bekräftigten: »Milky Instant, wir folgen dir!« Timothy ließ sich sehen, breitete die Arme aus, Schweigen trat ein.
    »Ihr geht jetzt langsam und leise zur Mauer«, sagte er, »Gruppe für Gruppe. Ted wird euch führen, und Milky Instant wird mit euch sein. Ihr werdet Kleidung für die Großen und Pontons für die Kleinsten finden und Nahrung für alle. Rote Flaschen für die Babys, blaue für die Kinder, die schon laufen können, und grüne für alle Großen. Dann wird die Mauer zerbrechen und euch den Weg freigeben, den Weg zu Milky Instant. Ihr seid das Tageslicht nicht gewohnt, eure Augen werden brennen und tränen, aber ihr sollt allen Schmerz unterdrücken und alle Müdigkeit; der Weg ist beschwerlich und lang, aber er führt euch zu Milky Instant. Viele Menschen werden euren Weg säumen, aber ihr sollt so tun, als seien sie gar nicht da, sollt mit niemandem sprechen, niemanden anfassen; selbst wenn euch jemand beschimpft, anspuckt, angreift – geht unbeirrt euren Weg. Wollt ihr das geloben?«
    »Ja, das geloben wir!« rief der Engelchor.
    Timothy ließ eine lächelnde Milky Instant mit stereotyper Handbewegung winken und schwebte aus der Ruine heraus, die Engel folgten ihm.
    Die Babys paßten nur mit Müh und Not in die drei Luftkissenpontons, die Timothy und Ted in der Nacht aus dem Depot geholt und aufgeblasen hatten. Dann nuckelte alles an den roten, blauen und grünen Flaschen. Der mit Konzentraten, Stimulanzien und Tranquilizern angereicherte Fruchtsaft schien zu munden, Timothy mußte die Engel auffordern, etwas für den Weg übrigzulassen. Er hoffte inständig, daß die Chemiker die richtige Dosierung getroffen hatten; er konnte in der nächsten Stunde weder greinende Babys noch ausgelassene Kinder, weder aufgeregte Mütter noch aggressive Krieger gebrauchen, schon gar nicht aber vor Erschöpfung und Stressüberflutung zusammenbrechende Engel.
    Das erste Problem ergab sich bei der Kleidung, vor allem die Burschen weigerten sich, sie anzuziehen. Timothy stieg aus und gab Ted die Anweisung, er solle nicht länger versuchen, seine Leute umzustimmen. Er hatte die Kleidung nicht angefordert, um den

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