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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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ja treffen.«
    »Ich lasse sofort die Kreuzung räumen«, schrie Butterbottom. »Richtige Wilde, sagten Sie, vielleicht sogar Kannibalen?«
    »Schon möglich«, erwiderte Timothy.
    Es war gleichgültig, was Butterbottom alles in seinem Bericht sagen würde, Hauptsache, der Zug der Engel wurde von den Kameras verfolgt und live übertragen. Timothy glaubte nicht, daß die Behörden es wagen würden, unmittelbar vor dem Eintreffen des Präsidenten ein öffentliches Blutbad unter Frauen und Kindern anzurichten, schon gar nicht, wenn es direkt auf alle Bildschirme Chicagos und in die ganzen Staaten übertragen wurde. Er hatte auch keine Angst, daß man die Übertragung verhindern könnte; Butterbottom und die ICC würden sich nicht so leicht erpressen lassen, die Sensation war einfach zu groß; auf jeden Fall würden sie die Bilder für eine Aufzeichnung ins Studio senden, und dann stand schon eine Gruppe Video-Guerillas bereit, die die Bilder mitschneiden und notfalls auf die Kanäle aller Chicagoer Sender schmuggeln würde. Sie waren auch auf die Idee gekommen, die Zeitschleife zu manipulieren.
    Alle Direktsendungen wurden über eine Zeitschleife gefahren, damit die staatlichen Kontrolleure die Möglichkeit hatten, unliebsame Bilder herauszufiltern. Dadurch, daß man die Zeitschleife heimlich verzehnfacht hatte, hoffte man, die Zentrale Einsatzleitung zu verwirren und Zeit zu gewinnen. Timothy hatte Napoleon Prognostics berechnen lassen; die größte Wahrscheinlichkeit war, daß die Einsatzleitung aus der Geschwindigkeit der beiden Kolonnen einen Treffpunkt etwa im Berkeley-Knie errechnen würde, und wenige Kilometer davor befand sich eine geradezu ideale Stelle, um den Zug der Engel von dem Paradeweg abzudrängen. Aber soweit sollte er gar nicht kommen.
    Timothy schwebte über der Kreuzung und ließ Milky Instant nach rechts winken, der Zug der Engel drängte auf den Exway, an der Spitze Ted und ein Dutzend grimmig dreinschauender Burschen mit Lanzen, Pfeil und Bogen und Federschmuck. Ein Kamerateam setzte sich vor sie, die anderen filmten von beiden Seiten, vor allem die Baby-Pontons und die hübschesten der Mütter. Die Engel waren äußerst diszipliniert. Die Babys dämmerten im Halbschlaf, die Kinder trotteten Hand in Hand dahin, und die Großen schauten nicht rechts und nicht links, sie taten, als wären sie mutterseelenallein auf der Welt.
    Die Leute an der Straße schauten zumeist nur gelangweilt; sicher hielten sie die Engel für einen Trupp des Festumzuges, der sich verspätet hatte und nun der Parade entgegenzog, um sich irgendwo einzureihen. Die meisten schwatzten oder ließen sich von fliegenden Händlern mit Süßigkeiten und Getränken, Hot dogs und Hamburgern versorgen, schließlich würde es noch fast eine Stunde dauern, bis der Paradezug hier eintraf. Viele starrten auf die Monitore von Taschengeräten. Auch die Beamten der NSA und Polizei beachteten den Zug der Engel zuerst kaum, sie beobachteten die Zuschauer und kontrollierten die Hausfassaden, die Waffen schußbereit in der Hand, um sofort auf jeden zu schießen, der ein Fenster öffnen oder sich auf einem Dach zeigen würde.
    Sicher liefen in der Einsatzleitung, der NSA-Zentrale und in den Hauptquartieren der Städtischen und der Bundespolizei schon die Drähte heiß, zumal Butterbottom es sich bestimmt nicht nehmen ließ, seine Sensation gehörig auszuschlachten.
    Die Engel hatten bereits den größten Teil der Strecke bis zur Abzweigung auf den Waldheim-Friedhof ohne Zwischenfall zurückgelegt, als Timothy bemerkte, daß die Ordnungskräfte jetzt offensichtlich in Alarm versetzt worden waren. Beamte in Uniform und Zivil säumten den Weg, und ihre Waffen waren auf die Straße gerichtet. Niemand aber eröffnete das Feuer. Die Beamten ließen den Zug passieren, sie machten sogar bereitwillig Platz, wahrscheinlich hatten sie Angst, sich von diesen Wilden irgendeine Krankheit zu holen.
    Der Zug erreichte den Waldheim-Friedhof. Timothy lenkte ihn mit Milky Instants Hilfe vom Exway herunter auf den breiten, von Platanen gesäumten Hauptweg. Er wartete, bis alle Engel den Exway verlassen hatten, dann überholte er den Zug, der sich nun doch schon müde dahinschleppte. Aber sie mußten ja nur noch ein paar hundert Meter bis zum Gould-Mausoleum 62 zurücklegen, in dem sich der Einstieg zum UNDERGROUND befand. Sobald Timothy zwischen den weit geöffneten Bronzetoren des Mausoleums das Bild der lächelnden, winkenden Milky Instant erblickte, drehte er ab.

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