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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Verdacht zuerst auf sie fallen würde.
    Timothy ließ sich nicht nur die Sicherheitsvorkehrungen vorführen, die gegen das unbefugte Entnehmen von Sperma aus der Samenbank getroffen worden waren, er besichtigte auch die Ein- und Ausgangskontrollen des Bankgebäudes, und nun wurde die Sache noch geheimnisvoller. Wer immer das Haus verlassen wollte, selbst wenn er den Direktgang zu den anderen Abteilungen benutzte, mußte durch Multispektral-Schleusen. Undenkbar, daß hier eine der Silberstahlkapseln illegal hätte passieren können, ohne Alarm auszulösen, schon gar nicht aber ein Transportcooler, der immerhin die Größe eines Aktenkoffers besaß. Ohne Cooler jedoch verdarb das Sperma in weniger als einer Minute und wurde damit wertlos für den Dieb, das Passieren der Schleuse indes dauerte eineinhalb Minuten.
    An jenem Tag hatten nur siebzehn Kapseln die Schleusen passiert, Inger versicherte, daß alle lückenlos überprüfbar gewesen seien. Sie hatte sogar alle Transporte der nächsten zwei Wochen kontrolliert, obwohl sie es für unmöglich hielt, daß jemand die Kapsel am Tag der Inventur nur aus dem Schrank genommen und erst einmal in der Samenbank versteckt hatte. Sie hatten nicht nur an jenem Tag das Bankgebäude buchstäblich auf den Kopf gestellt, sondern auch in den nächsten Tagen immer wieder kontrolliert, und so eine Kapsel konnte man schließlich nicht einfach irgendwo hinstellen, sie mußte an einen Cooler angeschlossen sein, und den konnte man kaum übersehen.
    Nicht nur jeder Eingang, jede noch so kleine Öffnung des Bankgebäudes war mit Akribie untersucht worden. Man hatte buchstäblich jeden Zentimeter der Wände unter die Lupe genommen, hatte mit Lurexlupen die Außenwände Bahn für Bahn abgetastet, ebenso die Keller.
    »Um es in einem banalen Satz zusammenzufassen«, sagte Inger, »ein unmöglicher Diebstahl! Und doch ist die Kapsel weg. Wir haben nicht nur die Samenbank, wir haben das ganze Werk sorgfältig untersucht. Unter dem Vorwand, die Kapsel enthielte den absolut letzten Samen für Lipizzanerhengste. Auf dem Gelände befindet sich die Kapsel garantiert nicht mehr. Wie aber ist sie hinausgekommen? Selbst wenn der Dieb sie aus der Bank schmuggeln konnte, er mußte sie dann ja noch durch die Kontrollen an den Werksgrenzen bringen. Wie? Sehen Sie sich die Sicherheitsmaßnahmen selbst an. Ich habe so gar überprüft, ob man die Kapsel in einen über dem Werk stehenden Helicopter hätte hinaufseilen können; die Luftüberwachung zeigte an, daß in der fraglichen Zeit nichts in den Luftraum eingedrungen war.«
    Timothy bat erst einmal um eine Pause. Und um eine Erfrischung. Sie einigten sich auf geeiste Malzmilch mit geraspeltem Nougat. Das Mädchen, das die Gläser brachte, kannte er noch nicht. Nummer fünf, registrierte er.
    »Hat Old Bentley auch Eunuchen in seinem Harem?« erkundigte er sich.
    Inger legte erschrocken den Finger an die Lippen. »Ich glaube nicht, daß Auskünfte über Mister Bentleys Intimsphäre zu den Informationen zählen, die ich Ihnen geben darf«, sagte sie betont kühl.
    Timothy entschuldigte sich nicht weniger förmlich für seinen Fauxpas und fragte, ob es erlaubt sei, in der Pause an den Strand zu gehen, er wolle jede nur mögliche Minute am Meer verbringen, wer weiß, wann er jemals wieder dazu käme. Ja, er dürfe, aber nur in Begleitung.
    Sie liefen ein Stück am Strand entlang, und Timothy genoß es, barfuß durch den Sand zu laufen, wann hatte er schon einmal Gelegenheit dazu! Inger bat ihn nur, sich auf dem nicht vom Wasser erreichbaren Streifen zu halten, da er keine Plastic trüge. Als das Cottage hinter Bäumen verschwunden war, sagte sie: »Um Ihre Frage zu beantworten, Tiny, Bentleys ›Harem‹ besteht aus dreizehn Frauen. Und zwei Männer sind hier, wenn auch keine Eunuchen.«
    Es lag viel Verachtung in ihrem Tonfall. Timothy blickte sie fragend an, doch Inger gab keine weitere Erklärung.
    »Ihr Chef lauscht wohl?« fragte Timothy.
    »Man weiß es nie«, gestand Inger.
    »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen? Warum arbeiten Sie für Bentley? Eine Frau wie Sie könnte doch auch woanders –«
    »Wo, Tiny, wo?« unterbrach sie ihn. »Sie haben doch erlebt, wie ich beim Anblick des Rayvolvers reagierte. Für den praktischen Einsatz bin ich verloren. Gewaltanwendung macht mich hilflos, sogar schon die Androhung von Gewalt. Die Arbeit hier ist im allgemeinen leicht. Sie haben die Sperrzone gesehen, niemand kann unbefugt eindringen, außerdem

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