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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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liegen wir ja hinter der Deathline, man kann nur mit einer Maschine der Air Force in diese Gegend gelangen. In den Werken der ALL-AMERICAN habe ich nur zu tun, wenn Bentley mich mal als seinen Sonderbeauftragten hinschickt.« Sie seufzte. »Viel zu selten.«
    »Bekommt er oft Besuch?«
    »So gut wie nie. Seine Freunde sind längst verstorben – man wird einsam, wenn man ein ›Unsterblicher‹ ist –, und seine Familie will er nicht sehen.«
    »Daß Sie das aushalten«, sagte Timothy, »eine so junge und so schöne Frau. Oder sind Sie –?«
    »Lesbisch?« Inger lachte laut auf. »Nein. Eigentlich keine von uns.«
    Die Wolken rissen auf, ein blauer Schlitz, der sich auseinanderzog wie der Verschluß einer Kamera. Sonne überflutete den Strand. Sie legten sich in den Sand. »Außerdem bin ich Bentley verpflichtet«, fuhr Inger fort, »er beschaffte mir den Platz an der Hochschule und finanzierte mein Studium, als meine Eltern ... Ich glaube, er hat mal ein Verhältnis mit meiner Urgroßmutter gehabt. Und mit Großmutter wohl auch.«
    Timothy sprach nicht aus, was ihm durch den Kopf schoß. Diese Sonnenstunde war viel zu schön für schmutzige Gedanken.
    »Last not least«, sagte er, »Sie haben hier etwas, was Sie nirgends sonst finden können: eine Bibliothek.«
    »Sie wissen?«
    »Mister Bentley war so freundlich, mir die Bücher von Chandler anzubieten; ich denke, das werden nicht die einzigen Romane sein, die er besitzt.«
    »Drei Kellergeschosse voll!« rief Inger. »Was soll ich Ihnen bringen, ›Das hohe Fenster‹, ›Der lange Abschied‹ oder ›Der tiefe Schlaf‹?«
    »Ich würde lieber mal ›Alice im Wunderland‹ lesen«, sagte Timothy. »Und da wir gerade bei Wünschen sind: Sie haben mir in Chicago versprochen, daß ich angeln dürfte, sogar vom Fenster aus.«
    »Sie dürfen. Ich zeige Ihnen, wo die Angelruten stehen. Doch fassen Sie um Himmels willen die Fische nicht mit bloßer Hand an.«
    7.
    Timothy saß erst vierundzwanzig Stunden später mit einer Angel auf dem Steg. Er machte den Eindruck, als interessiere ihn nichts auf der Welt als das Angeln, dabei hing kein Köder an der Schnur, nicht einmal ein Haken. Daß die Fische alle verseucht waren und wieder ins Meer zurückgeworfen werden mußten, hatte ihm den Spaß gründlich verleidet. Doch er sagte sich, daß man einen Angler respektieren und in Ruhe lassen würde. Und er brauchte Ruhe. Er mußte festlegen, wie er sich weiter verhalten wollte. Er machte sich keine Illusionen, dies war ein aussichtsloser Fall. Sie hatten bis spät in die Nacht gearbeitet und sich früh schon wieder am Computer getroffen, hatten die Fakten immer wieder neu zusammengestellt, kombiniert und relativiert, Theorien entworfen und verworfen, stundenlang Bilder aus dem Werk übertragen lassen und waren am Ende so schlau wie zuvor.
    Das Schlimmste: Es gab keine einzige Spur am Tatort, und alle Theorien über einen Tathergang endeten irgendwann in dem Resultat: unmöglich. Wenn es überhaupt etwas an diesem Fall gab, das Timothy reizen konnte, dann diese offenkundige Unmöglichkeit. Wo aber ansetzen? Gewiß, er hätte eine lange Liste von Personen und Organisationen aufstellen können, denen man ein Motiv unterstellen konnte, allen voran Bentleys Konkurrenten und die NSA, doch das führte keinen Schritt weiter. Wer immer die Samenkapsel besitzen wollte, er mußte auch Gelegenheit gehabt haben, an sie heranzukommen und sie aus der Samenbank und dem Werk hinauszuschmuggeln. Wie?
    Am liebsten hätte Timothy den Auftrag auf der Stelle zurückgegeben. Wie aber sollte er das tun, ohne Bentley zu verärgern? Man macht sich nicht ungestraft einen Bigboss zum Feind. Er mußte zumindest so tun, als gäbe er sich ungeheure Mühe. Vielleicht hatte er Glück, und es handelte sich um Erpressung, und die Täter oder Auftraggeber meldeten sich in den nächsten Tagen.
    Es gab noch einen Grund, warum Timothy nicht sofort abreiste. Es gefiel ihm in Seabridge. Er wäre zu gerne noch ein paar Tage geblieben. Dazu aber mußte ihm einiges einfallen, was nach intensiver Arbeit aussah.
    Ein Räuspern riß ihn aus seinen Gedanken. Bentley. Timothy hatte nicht gehört, wie er seinen Sessel herangefahren hatte.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich beim Angeln störe«, sagte er, »ich kann es selbst nicht leiden, aber Sie werden verstehen, daß ich neugierig bin.«
    »Das Angeln ist nicht wichtig«, sagte Timothy, »es geht mir mehr darum, mein Unterbewußtsein zu mobilisieren. Zu Hause hätte ich

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